Interview: Patricia Heller. Fotos: Thomas Buchwalder.

«Dry aged» ist bei Fleischliebhabern das Gebot der Stunde. Worum gehts?
Bei «Dry Aged» geht es um die Konservierung von Geschmack, vergleichbar mit dem Prozess beim Trockenfleisch. Dem Fleisch wird Wasser entzogen, dafür der Geschmack verstärkt. Dieses Verfahren erzeugt einen Verlust von bis zu 40 % des Eigengewichts, was das Fleisch sehr teuer macht.

 

«Dry aged» ist in Mode. Aber das hatten wir doch schon: Es ist ein altes Verfahren der Trockenreifung.
Richtig. Die Trockenreifung ist ein Jahrtausend altes Verfahren und wurde ursprünglich von den Römern entdeckt.

 

Bei Globus gibts neu einen Dry-aged-Schrank. Was müssen Sie beachten?
Die Qualität des Fleisches muss stimmen. Das hat für unsere Einkäufer oberste Priorität. Dann muss die Temperatur stimmen, sie darf nur um 1–2 Grad variieren. Auch bei unserem Fleischschrank hier im Globus (der ist ganz neu, im Juni eingebaut). Um den perfekten Geschmack hinzukriegen, kann man mit den Temperaturen spielen und so viel erreichen. Das ist eine Frage der Erfahrung und Intuition. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, wir haben gejagt und auch selber geschlachtet. Es war normal, dass wir die Stücke aufgehängt haben. Was ich heute kann, habe ich vor Jahren von meinen Grosseltern gelernt. Fasse ich heute im Schrank das Fleisch an, weiss ich, was zu tun ist. Rauf oder runter mit der Temperatur und im richtigen Moment verkaufen!

 

Welche Rassen eigenen sich für Trockenreifung?
Es braucht eine gewisse Marmorierung, eine gewisse Fettstufe, um Fleisch abzuhängen. Die Tiere müssen sehr viel draussen sein, viel Gras essen und ein gewisses Alter haben. Sie müssen von Geburt weg tierwohl aufgezogen werden. Die Qualität steht von Anfang an im Vordergrund.

 

«Dry aged» wird unterschiedlich interpretiert. Mal hängt das Fleisch drei Wochen am Knochen ab, mal sieben Wochen. Gibts eine Faustregel dazu?
Das ist abhängig vom Alter. Ein Rind muss mindestens drei Wochen abgehangen sein. Aber jedes Tier ist verschieden. Das Fleisch kann nach vier Wochen perfekt sein, andere Tiere müssen 12 Wochen hängen.

Dry aged Reifeschrank Globus

Tradition trifft Moderne: Das uralte Reifeverfahren wird im Reifeschrank perfektioniert.

Der Gewichtsverlust ist enorm. Bis 40 Prozent. Das bezahlt der Konsument. Oder beteiligt sich Globus an den Kosten?
Der Konsument bezahlt nicht für das Abhängen, sondern für die Fleischqualität. Globus beteiligt sich mit der Pflege und mit der unglaublich aufwändigen Qualitätskontrolle. Ich sage immer: Fleisch kann gar nicht teuer genug sein. Der Aufwand ist unglaublich: Strom, Heizung, Futter, Betreuung. Ein Durchschnittsrind wird nur 18 Monate alt. Beim «dry aged» muss das Rind mindestens vier Jahre alt sein. Ist es elf Jahre alt, hat es eine unglaubliche Marmorierung und einen sehr intensiven Geschmack. Es ist wie beim Menschen: Im Alter wird mehr Fett angesetzt.

 

Wird das Fleisch dank «dry aged» nur geschmacksintensiver oder auch zarter?
Durch den Prozess wird das Fleisch mürber und zarter.

 

«Dry aged»-Fleisch wird schwarz und hart, es bildet sich ein Flaum von Schimmel (den der Metzger dann wieder entfernt). Verstehen Sie, dass sich das nicht alle Menschen gleich gerne anschauen?
Das Fleisch wird dunkel, das ist korrekt. Schimmel bildet sich nicht: So weit lassen wir es nicht reifen.

 

Von der Theorie zur Praxis: Was genau mache ich zu Hause mit so einem Dry aged»-Teil? Bei Zimmertemperatur ruhen lassen, nehme ich an. Und dann: Pfanne oder Grill? Wie würzen? Vorher würzen oder danach?
Ganz wichtig: «Dry aged»-Fleisch zwei, drei Stunden im Voraus aus der Kühle nehmen. Mein Geheimtipp: in einem Baumwolltuch oder Haushaltpapier eingewickelt ruhen lassen! Das Fleisch verliert nochmals Flüssigkeit, welche sofort aufgesogen wird. Grillpfanne oder Grill müssen ganz heiss sein, bei einem Green Egg 250 bis 300 Grad. Von beiden Seiten schön kross anbraten, danach an den Rand legen und vor dem Schneiden noch etwas ziehen lassen, je nach Dicke etwa fünf Minuten, ohne Hitze, im Ofen bei ca. 50 Grad). Ich würze und Salze erst am Schluss, kurz vor dem Essen.

 

Das «Big Green Egg» ist der Grill der Stunde. Für Greenegg-Greenhörner: Wie lange und bei welcher Temperatur grilliere ich ein Kilo «dry aged» Côte de Boeuf?
Ein Côte de Boeuf würde ich indirekt mit der Convector Platte grillieren. Langsam garen, bis das Thermometer eine Innentemperatur von 50 Grad erreicht. Danach Convector weg. Grill aufheizen auf 280–300 Grad, und ganz kurz, pro Seite 25–30 Sekunden nachgrillieren.

>> Nils Mager, Verkaufsleiter bei Globus, Metzgerei & Charcuterie, Dry aged Meat