Text: Anita Lehmeier I Fotos: David Birri

IN DIE WIEGE GELEGT. Seit 2020 weht ein frischer Wind durch die Alpkäserei Bergmatt im Melchtal OW, gleich neben der Talstation der Melchsee-Frutt-Bahn gelegen. Der gebürtige Menznauer Patrick Bernet führt mit seiner Partnerin Ramona Brülisauer, einer St. Gallerin, in der vierten Saison die Sbrinz-AOP-Käserei mit der Nummer 6197. Beiden sind das Landleben und ihre naturnahe Tätigkeit quasi in die Wiege gelegt, beide wuchsen auf Bauernhöfen auf. Ramona stammt vom Hof Gotthard, an Stadtrand von St. Gallen. «Da gibt es noch heute zwei Dutzend Bauernbetriebe – erstaunlich für eine Stadt», erzählt sie in stark gefärbtem Ostschweizer Dialekt. Sie absolvierte eine Lehre als Bäckerin/Konditorin. «Ich mochte an diesem Beruf, dass man das Resultat seiner Arbeit unmittelbar sieht. Beim Käsen ist das eine andere Sache. Es dauert, bis man das Ergebnis sieht.» Patrick Bernet ist gelernter Bauer und Käser, hat seine Lehre auf Emmentaler und auf Sbrinz AOP gemacht. Der charaktervolle Sbrinz AOP ist noch heute sein Favorit, in der Herstellung («er braucht viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung») und auf dem Tisch. Seit letzter Alpsaison, die fünf Monate dauert, gehört zur Alpkäserei Bergmatt die kleine Marlen, zehn Monate alt. Während ihre Eltern jeden Vormittag am Käsen sind, ist Marlens Buggy vorne beim Eingang parkiert. «Wir haben Glück, sie ist ein sehr zufriedenes Baby und braucht nicht jede Minute unsere Aufmerksamkeit», erzählt Ramona Brülisauer. Die Kleine saugt das Handwerk also mit der Muttermilch auf – wächst da schon die nächste Generation heran? «Das ist jetzt etwas früh zu beurteilen», meint der Vater schmunzelnd. Und überwacht weiter mit strengem Auge die erwärmte Milch im 1600-Liter-Kupferkessi. Zurzeit verarbeitet er täglich 2000 Liter Milch, im Sommer sind es dann 4000 Liter – im Alleingang. Sieben Tage die Woche. Wie viel Gewicht er täglich stemmt, habe er nie ausgerechnet. «Es werden wohl einige Tonnen sein», schätzt er. Die Käsi sei zweckdienlich, aber nicht grad auf dem modernsten Stand der Technik. Ins Fitnesscenter gehen muss er definitiv nicht für seine muskulöse Postur. 

Sbrinz Alpkäserei Bergmatt,OW. Ramona Brülisauer und Patrick Bernet beim Käasen. Aufgenommen am 16.05.2023 ©David Birri

Ein paar der 14 umliegenden Alpen liefern die Milch im Kessi. 

Sbrinz Alpkäserei Bergmatt,OW. Ramona Brülisauer und Patrick Bernet beim Käasen. Aufgenommen am 16.05.2023 ©David Birri

Ramona Brülisauer geht Patrick Bernet in der Käsi zur Hand. 

Sbrinz Alpkäserei Bergmatt,OW. Ramona Brülisauer und Patrick Bernet beim Käasen. Aufgenommen am 16.05.2023 ©David Birri

Vom mystischen Melchtal aus geht es hoch in die Melchsee-Frutt.

MYSTISCHE LANDSCHAFT. Die Milch für die Alpkäserei Bergmatt, die auf 1050 Metern über Meer liegt, kommt aus 14 umliegenden Alpbetrieben, die bis 2000 Meter über Meer liegen. 250 Kühe, die ihren Sommer im Grünen zwischen der Stöckalp und der Melchsee-Frutt verbringen, liefern Bernet den Rohstoff für seinen Käse. Jeden Morgen bringen die Älpler ihre Milch in die Käsi, wo sie als erstes gewogen wird und Ramon Brülisauer die Menge im Milchbüechli notiert. Im Sbrinz AOP steckt viel vom Charakter der urtümlichen Landschaft. Wenn Wolken und Nebel tief im Hochtal hängen und keinen Sonnenstrahl durchlassen, erinnert die stotzige Umgebung an das düstere Mordor aus der Saga «Herr der Ringe», man meint die alten Geister hoch oben in den Felsen und Wasserfällen grummeln zu hören. Bei Sonnenschein verwandelt sich die Landschaft in ein liebliches Auenland. Fast erwartet man, Frodo und die Hobbits auf Pelzfüssen über die Wiesen stapfen zu sehen. Hier grasen die Kühe der beiden benachbarten Bauernbetrieben, im Auslauf neben der Käserei tummeln sich 180 Säuli. Die werden mit der beim Käsen anfallenden Molke grossgezogen, rund dreieinhalb Monate lang. In dieser Zeit kümmert sich Ramona Brülisauer um die Tiere, schaut mehrmals täglich, ob alle gesund und munter sind, steckt ihnen Leckerbissen wie Spreu und Käserinden zu, putzt den Stall. Gerade ist die Schweineaufzucht kein gutes Geschäft, die Preise sind tief, die Arbeit bleibt die gleiche. «Es geht uns darum, dass wir unsere Molke direkt vor Ort verwerten können. Ökologie liegt uns am Herzen», erklärt die Hausherrin. Ihre diversen Einsatzorte zwischen Käsi, Stall, Küche, Büro und Laden erfordern häufige Wechsel von Kleidern und Schuhwerk. «Bei dem vielen Umziehen komme ich mir vor wie ein Model», meint sie mit ironischem Lachen.

Sbrinz Alpkäserei Bergmatt,OW. Ramona Brülisauer und Patrick Bernet beim Käasen. Aufgenommen am 16.05.2023 ©David Birri

Nach dem Käsen geht’s ans Putzen. Patrick Bernet bringt die zwei 1600-Liter-Kupferkessi auf Hochglanz.

HOTSPOT CHÄSHÜTTLI. Ab Mitte Juni, wenn die Sportbahnen der Melchsee-Frutt wieder fahren und Massen von Ausflüglern hierher strömen, ist Ramona Brülisauer nachmittags von zwei bis halb sechs Uhr im Chäshüttli zwischen Parkplatz und Talstation anzutreffen. Hier verkauft sie das eigene Sortiment – Sbrinz AOP, halbharten Alpkäse, Weichkäse, Joghurt, Butter und Fondue-Mischung – an die Ausflügler. Das hübsche Holzhäuschen mit den Laubsägeli-Verzierungen hätten sie von ihrem Vorgänger übernehmen können, an Wochenenden im Sommer brumme der Laden wie ein Bienenstock. Ausserdem beliefert das Bergmatt-Powerpaar die lokale Gastronomie, Dorfläden und Bäckereien. Auch online sind die Spezialitäten der Bergmatt zu kaufen – Ramona besorgt den Versand. Von den 500 Laiben Sbrinz AOP geht ein grosser Teil Ende Alpsaison an Emmi. Noch ist der Reifekeller von Patrick Bernet fast leer. Seit dem 1. Mai sind erst ein paar Laibe hier gelandet, wo sie von Patrick täglich sorgfältig gehegt und gepflegt und gedreht werden. Ein dunkler, kleinerer Laib Käse allerdings sticht inmitten der 45-Kilo-Laibe von Sbrinz AOP ins Auge. Den hat Patrick Bernet im Alpsommer 2017 hergestellt, als er Senn im Gental ob Innertkirchen war, auf 1200 Metern über Meer. Wann diese sechsjährige Delikatesse angeschnitten und gegessen wird, weiss das Paar schon heute ganz genau: am 14. Oktober. An diesem Samstag werden sie Hochzeit feiern. Wenn die Alpsaison vorbei. Bis dahin haben die beiden noch alle Hände voll zu tun in ihrer Käsi.