Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver

Jubiläum. Das Messer abschlecken oder die Sauce mit dem Finger aufputzen – in den meisten Restaurants wird man dafür schräg angeschaut. In der «Blindenkuh» nicht. Denn hier wird man gar nicht angeschaut. Es ist zappenduster. Und das seit 20 Jahren. 1999 ging das Lokal im Zürcher Seefeld als erstes Dunkelrestaurant der Welt auf, 2005 folgte eines in Basel. Der Hype war enorm. «Damals waren wir acht Monate im Voraus ausgebucht», erinnert sich Geschäftsführer Adrian Schaffner. «Die Presse rannte uns die Bude ein, das Wallstreet Journal oder sogar abc news berichteten.» Heute sei der Rummel etwas abgeflaut. Doch das Konzept funktioniert, die beiden Restaurants werfen Gewinn ab.  

Blindekuh Zuerich

Viel Sorgfalt auch beim Anrichten: Entenbrust, Süsskartoffelpüree und Spargeln.

Blindekuh Zuerich

Betriebsleiter Adrian Schaffner hat hohe Ansprüche an seine Mitarbeiter.

Professionell. Nicht zu sehen was man isst, sich unsicher zu fühlen bei jeder Gabel, die man zum Mund führt, angewiesen zu sein auf die Hilfe der blinden Servicemitarbeiter – das alles macht die «Blindekuh» zu einem aussergewöhnlichen Restaurant. In den meisten Fällen verfolgt man aber die selben Ziele wie in jedem anderen Gastrobetrieb. «Wir wollen professionell rüberkommen. Das fängt bei der Reservation am Telefon an und am Ende soll der Gast begeistert raus. Wir sind keine geschützte Werkstatt. Schliesslich haben wir auch Marktpreise, ich kann für die Gerichte nicht zehn Franken mehr verlangen, weil wir mit Blinden arbeiten», sagt Schaffner deutlich. 

Blindekuh Zuerich

Küchenchef Dirk Simon arbeitet mit seinem Team im Hellen.

Menu Surprise. In der Küche verfolgt man genauso hohe Ansprüche. Nicht nur bei der Wahl der Produkte, sondern auch beim Anrichten. Doch wozu, wenns gar keiner sieht? «Ich will, dass das Essen ordentlich rausgeht. Für mich spielt es keine Rolle, ob der Gast das sieht oder nicht. Das hat mit meiner Berufsehre und meinem Stolz zu tun», sagt Küchenchef Dirk Simon. Simon ist weder blind noch sehbehindert, er hat unter anderem in der «Villa Villette» in Cham gearbeitet. «Natürlich betreiben wir keine Spitzengastronomie, wir machen keine Schäumchen und richten nicht mit der Pinzette an.» Wichtiger sind frische und regionale Produkte. Der Gast kann seine Gerichte im Voraus auswählen (auch eine Vegi-Variante) oder er nimmt das Menu Surprise – nach dem Essen wird aufgelöst, was man gegessen hat. Aktuell gibt es grüne Spargeln mit Entenbrust und einem Süsskartoffelpüree und zum Dessert ein Zitronenmelissenparfait mit marinierten Erdbeeren und Pistazienkrokant.

Jean Baldo (Administration/Service) am Servieren im dunklen Restaurant - Das Erlebnisrestaurant "Blinde Kuh" feiert 20 Jahre Jubiläum. Ein Blick hinter die Kulissen mit dem Chefkoch Dirk Simon und dem Sevice- und Administrationsmitarbeiter Jean Baldo und dem Geschäftführer Adrian Schaffner. - Zürich, Freitag, 10. Mai 2019 - Copyright Olivia Pulver

Jean Baldo hat die Hotelfachschule absolviert. Dank einer Spezialtastatur kann er auch am Computer arbeiten.

Blindekuh Zuerich

Zitronenmelissenparfait mit marinierten Erdbeeren.

Blinder Hotelfachmann. Das «Herz» der «Blindenkuh» sind aber die Servicemitarbeiter. Einer ist Jean Baldo, er serviert im dunklen Raum, nimmt Reservationen entgegen und macht Führungen durch Zürich. Der 44-Jährige hat als vermutlich einziger Blinder in der Schweiz die Hotelfachschule abgeschlossen – und das ohne «Extrawurst», wie er sagt. «Wenn mir ein Kollege in der Küche geholfen hat, habe ich ihn im Gegenzug bei der Buchhaltung unterstützt», erzählt Baldo, der seit Geburt blind ist. Wenn er serviert, ist er gegenüber den Sehenden im Vorteil. «Es gibt mir eine gewisse Sicherheit. Ich kann meine Rolle ausleben, auf den Gast zu gehen und wenn ich merke, dass der Gast sich wohl fühlt, kann ich auch mal einen Witz machen.» Da die Situation für die Gäste ungewohnt ist, braucht es etwas mehr Betreuung. Schliesslich fühle sich auch nicht jeder wohl – man kann sogar seekrank werden im Dunkeln. «Es ist auch schon passiert, dass ein Gast eingeschlafen ist. Er hat es im Anschluss allerdings abgestritten», plaudert Jean Baldo aus dem Nähkästchen.

 

>> 2019 feiert die Blindekuh Jubiläum. Erstmals wird das Dunkelrestaurant auch am Züri Fäscht im Juli vertreten sein. 

www.blindekuh.ch