Fotos: Adrian Bretscher

Schwimmend ausgebacken. «Die leckersten Brote sind paniert – und heissen Schnitzel!» Im Internet gibt’s T-Shirts mit diesem Spruch zu kaufen. Und es hat schon etwas Wahres: Wir lieben doch fast alle das dünn geklopfte Kalbfleisch, sorgsam in Panade gehüllt und schwimmend ausgebacken. Doch Wiener Schnitzel ist eben nicht gleich Wiener Schnitzel – wie sich schnell zeigt, wenn man sich wie ich auf die Suche nach dem besten Wiener Schnitzel Zürichs macht. Eine Blitzumfrage auf der Redaktion hatte ergeben, dass ich auf jeden Fall dem «Carlton», dem «Rosaly’s» und dem «Wilden Kaiser» einen Besuch abstatten sollte. Die «Kronenhalle»? Hätte auch dazu gehört, nur bekam ich dort kurzfristig keinen Platz. 

Bestes Schnitzel - GMC Böniger - Rosalys Böniger tranchiert Schnitzel / Wienerschnitzel

Bekennender Essig-Freak: Starchef Fabio Lombardi vom «Rosaly's».

Bestes Schnitzel - GMC Böniger - Rosalys Böniger tranchiert Schnitzel / Wienerschnitzel

Sein Wiener Schnitzel ist aussen goldgelb – und innen schön zart.

«Rosaly’s»: perfekt zartes Fleisch. Mit viel Hunger starte ich gleich hinter dem legendären Sternen-Grill am Bellevue, wo das «Rosaly’s» mit 15 Punkten und einer grundsoliden Karte mit dem gewissen Twist auf seine Gäste wartet. In der Küche steht Fabio Lombardi, und er macht seine Sache richtig gut. Sein Wiener Schnitzel kommt wunderbar goldgelb auf den Tisch, innen ist es perfekt zart. Die Panade ist vergleichsweise dick, sodass er für eine grosszügige Portion Schnitzel gerade einmal 120 Gramm Fleisch klopft. Satt werde ich. Lombardis Tricks: Er wendet das Fleisch zuallererst in Mineralwasser, «das hat mir ein Freund aus Österreich so gezeigt.» Und er lässt das fertig panierte Päckli noch einige Minuten stehen, bevor er es in einer Mischung aus Butter, Nussbutter und Öl in einer Gusseisenpfanne brät.  

«Ich bin ein Essig-Freak!» Das Paniermehl bezieht Fabio Lombardi übrigens seit Jahren von Jowa. Bemerkenswert ist auch die Idee, die halbe Zitrone auf dem Teller zwecks aromatischem Plus mit dem Bunsenbrenner kurz abzuflämmen. Die Preiselbeer-Konfi mit Meerrettich macht ebenfalls Freude. Der Kartoffelsalat als Beilage? Die Erdäpfel haben genau den richtigen Biss, sie schmecken vielleicht eine Spur zu sehr nach Essig. Meine Bemerkung dazu überrascht den Chef überhaupt nicht: «Ich bin Essig-Freak und habe zu Hause eine eigene Essigmutter!» Und was diese Mutter produziere, lande natürlich auch in der Sauce des Kartoffelsalats. 

Bestes Schnitzel - GMC Böniger - Wilde Kaiser Böniger tranchiert Schnitzel / Wienerschnitzel

Das Wiener Schnitzel im «Wilden Kaiser» erinnert fast ein wenig an die Karte Österreichs.

Bestes Schnitzel - GMC Böniger - Wilde Kaiser Böniger tranchiert Schnitzel / Wienerschnitzel

Er sorgt in seinem Restaurant für den «Sound of Vienna»: Krisztian Krahnstöver.

Der «Wilde Kaiser» und der «Sound of Vienna». Natürlich könnte ich nun hier die Diskussion wiedergeben, die seit Jahren zwischen österreichischen und italienischen Küchenchefs geführt wird: Wer hat denn das Schnitzel erfunden? War’s in Mailand oder Wien? Im «Wilden Kaiser Wienzeile», dem Reich von Gastgeber Krisztian Krahnstöver, wird die Frage gar nicht erst gestellt. Hier im Restaurant – mit der GaultMillau-Auszeichnung «Pop» – könnte man meinen, Franz Joseph Karl von Österreich höchstpersönlich habe die Idee zu diesem weltweit beliebten Klassiker gehabt. Schon beim Betreten hört man das, was vom Gastgeber als «The Sound of Vienna» bezeichnet wird: In der Küche werden grad Schnitzel geklopft!  

Schnitzel ist auch Wissenschaft. Speziell ist hier – neben den Falco-Bildern an der Wand, die mich an meine Jugend erinnern – der fast wissenschaftliche Zugang zur Materie Wiener Schnitzel: Das Paniermehl wird einmal wöchentlich aus der österreichischen Hauptstadt geliefert. Die Eier kommen vom Iserig-Hof im zürcherischen Hinteregg und haben fürs Panieren eine Temperatur von genau sechs Grad. Das Bio-Kalbfleisch stammt ebenfalls aus der Region und muss bei der Zubereitung 1,5 Millimeter dick sein. 190 Gramm sind es. Ausgebacken wird mit Butterschmalz in drei unterschiedlichen Induktionsbecken mit jeweils unterschiedlicher Temperatur. «Ein einziger Mitarbeiter ist zuständig, damit die Qualität immer gleich bleibt», erklärt Krahnstöver. Und ich bin von dieser Detailliebe ziemlich beeindruckt. 

Kissenartiges Kunstwerk. Und wie ist das kaiserliche Wiener Schnitzel? Serviert wird mir beim Testbesuch ein goldgelbes, kissenartig aufgeblasenes Kunstwerk, das beinahe an die Form des heutigen Lands Österreich erinnert. Es knistert, oder wie man in der Schweiz sagt: «chroosed», beim Reinbeissen. Für mich das wichtigste Qualitätsmerkmal eines Schnitzels überhaupt. Das Fleisch ist vielleicht eine Spur zu wenig zart. Doch weitere Pluspunkte gibt es für die halbe Zitrone, auf der selbstverständlich eine gerollte Sardelle und ein Kapernapfel liegen. Und ebenso für den fantastischen Kartoffelsalat aus der Sorte Steirische Goldmarie, ergänzt mit Nüsslisalat und einem Spritzer Kürbiskernöl. 

Bestes Schnitzel - GMC Böniger - Carlton Böniger tranchiert Schnitzel / Wienerschnitzel

Philipp Heering kocht im «Carlton» fünfzig Wiener Schnitzel wöchentlich.

Bestes Schnitzel - GMC Böniger - Carlton Böniger tranchiert Schnitzel / Wienerschnitzel

Man beachte, wie hübsch seine Schnitzelpanade Wellen schlägt!

Carlton: Klassiker & Kreatives. Kann man das wirklich noch toppen? Ich zweifle eigentlich daran, als ich in die dritte und letzte Schnitzelstation einkehre: das «Carlton» an der Bahnhofstrasse, ausgezeichnet mit 15 Punkten. Beim engagierten Gastgeberpaar Daniela und Markus Segmüller (u.a. «Loft Five», Zürich, «Sablier», Kloten) steht Philipp Heering in der Küche. Er bereitet gekonnt Evergreens und dazu kreative Gerichte zu. Wöchentlich macht er mit seinem Team fünfzig Wiener Schnitzel für seine Gäste. Paniert mit dem Paniermehl von der Kreuzbäckerei in Stans («konstant gute Qualität», so der Küchenchef), schwimmend gebacken in einer Mischung aus Sonnenblumenöl und Butterschmalz. 

Der Schnitzel-König heisst… Ja, in Sachen Wiener Schnitzel hat Philipp Heering seine Hausaufgaben gemacht, wie ich bald sehe: Die goldgelbe, merklich dünn gehaltene Panade wölbt sich unglaublich verspielt, das es eine Pracht ist! Und als ich das Fleischpaket mit Messer und Gabel in Stücke zerteile, höre ich das vertraute Geräusch wieder, das zu jedem guten Schnitzel gehört. «Chchch...» Das Kalbfleisch? 160 Gramm («sonst wird es beim Klopfen zu gross») ist perfekt zart, ziemlich genau zwei Millimeter dick. Und das Schnitzel fällt auch gegen Ende des Genusses nicht auseinander. Nicht zuletzt die Nebendarsteller passen: Schön herb ist die Preiselbeerkonfitüre. Der Zitronensaft wird originell in einem Zerstäuber gereicht. Und auch wenn der Kartoffelsalat mit knackigen Gurkenscheiben wegen der Speckwürfel vergleichsweise deftig daherkommt, es kann nichts mehr daran ändern: Der Vorsprung vor dem kaiserlichen Schnitzel ist zwar knapp – aber ich küre Philipp Heering vom «Carlton» zum Zürcher Schnitzel-König! 

Bestes Schnitzel - GMC Böniger - Rosalys Böniger tranchiert Schnitzel / Wienerschnitzel

Auch unser Autor Böniger liebt das dünn geklopfte Kalbfleisch, sorgsam in Panade gehüllt.