Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Hans-Peter Siffert

Wein statt Trompete. «Ich nenne meine Weine nicht Natur-, sondern Mazerationsweine», stellt Vincent Gross sogleich klar. Denn ein wenig Schwefel gehöre trotz aller Naturnähe dazu, wenn man nicht riskieren wolle, dass der Wein in der Flasche später weitergärt. Der 42-jährige Winzer und Önologe hat 2006 die Verantwortung im Familienweingut in Gueberschwihr im Elsass übernommen. Damit hat er sich für den Wein entschieden und trotz Trompeterausbildung auf eine Karriere als Musiker verzichtet. «Ich wollte das Gut für unsere Familie erhalten», sagt der Vater dreier Kinder. Und so arbeitet er heute Seite an Seite mit seinem Vater Rémy, verwirklicht aber mit einer eigenen Weinlinie seinen Plan, möglichst nahe an der Natur zu arbeiten. Das bedeutet, dass es im Hause Gross zwei sehr unterschiedliche Weinstile gibt: den klassischen des Vaters in der ganzen Bandbreite des Elsass mit Riesling, Sylvaner, Muscat, Pinot gris, Pinot blanc, Gewürztraminer und Pinot noir. Sowie den auf die Zukunft ausgerichteten Mazerationsstil des Sohnes mit zwei Crémants, der Linie «Rhapsodie» und dem Gewürztraminer aus der Lage Neuweg (in der Schweiz im Coop-Sortiment zu finden), den er künftig «Fantasie» nennen will. Dieser Wein offenbart ein wahres Feuerwerk an Gewürznoten und duftet fein nach Rosenblüten. Im Gegensatz zu herkömmlichem, blumigem Elsässer Gewürztraminer ist er sehr trocken ausgebaut. «Ich suche dieses Gradlinige, diese Trockenheit.» Produziert hat er den Wein mit langem Schalenkontakt und nur leichter Filtration, reifen lassen hat er ihn im grossen Holzfass.  

 

Vincent Gross im kleinen Weinberg zwischen Weingut unf KIrche der zum Grand CRu Goldert gehört

Einige von Vincent Gross' Reben liegen zwischen Weingut und der örtlichen KIrche.

Vincent Gross hebt Wein aus vergrabener Amphore

Vergraben sind die Amphoren, damit sie keinesfalls zerbersten.

Fünf Jahre bis zur Marktreife! Doch Vincent Gross hat einen Traum: In ferner Zukunft möchte er möglichst nur noch mit Amphoren arbeiten, den grossen Tongefässen, die als «Quevri» in Georgien seit Jahrtausenden für die Weinbereitung eingesetzt werden. Drei davon hat er bereits in den Boden seines Kellers eingelassen, eine jede fasst 1400 Liter und ist zwei Meter tief. Die Weinbereitung ist aufwendig: Die entrappten Traubenbeeren werden acht Monate lang mitsamt der Haut mazeriert, dann wird der Saft abgepumpt, die Traubenschalen werden entfernt und der Wein nochmals für einige Monate zurück in die Amphore gegeben. Es folgt eine Phase im grossen Holzfass, darauf sechs Monate im Inoxtank und zuletzt eine einjährige Lagerzeit in der Flasche. Der erste Jahrgang 2021 wird also erst 2026 auf den Markt kommen! Es sind dies 4000 Flaschen eines Weins aus Sylvaner, Muscat und Riesling, deren Trauben alle gleichzeitig in dasselbe Gefäss gefüllt wurden. Kreativ ist Vincent Gross auch bei der Namensgebung. Eine Assemblage aus Riesling, Muscat und Gewürztraminer nennt er «Gold’R», weil die Grand-Cru-Lage Goldert nur bei reinsortigen Weinen verwendet werden darf. Und ein Orangewein trägt die Bezeichnung «TriO». Die gesamten elf Hektar Rebland der Domaine Gross werden seit dem Jahr 2006 biodynamisch bearbeitet, ohne den Einsatz von Traktoren, einzig in Handarbeit. Auch sonst wird dem Umweltschutzgedanken möglichst Rechnung getragen. Der Weinkeller ist naturgekühlt, die Verpackungskartons werden recycelt, bei einigen Weinen wird auf die Alukapsel verzichtet und der Korken mit einer Wachsschicht überzogen. Doch auf dem Etikett fehlt jeder Hinweis auf Bio. Winzer Vincent Gross erklärt es so: «Ich will mit dem Wein und nicht mit einem Label überzeugen.»  

>> www.domainegross.fr