Ist es nicht seltsam, einen alten Chasselas des Jahrgangs 2012 zu trinken?

Keineswegs. 2012 war das Jahr, als ich meine Arbeit beim OVV aufnahm. Aber Scherz beiseite. Ich bin ein grosser Chasselas-Fan und kaufe diesen Wein jedes Jahr, um ihn altern zu lassen.

 

Wie präsentiert sich der Millésime 2017?

Die Qualität der Ernte 2017 ist wunderbar. Als Folge der Kapriolen der Natur ist sie in einigen Gegenden etwas kleiner ausgefallen. Aber welch eine Ausgewogenheit! Zucker- und Säuregehalt sind nahezu perfekt, wir können uns auf grandiose Weine freuen. Je nach Rebsorten werden die Weine noch besser als 2015 ausfallen. Wir erwarten einen grossen Jahrgang.

Nicolas Joss directeur de l'OVV

Nicolas Joss ist grosser Chasselas-Fan. Er sevierte uns einen mit Jahrgang 2012.

In andern Kantonen litten die Weinberge unter dem Frost. Davon waren die Waadtländer Weine weniger betroffen. Für Sie ein Vorteil?

Einige Regionen waren in der Tat stark betroffen. Aber dies ist für uns kein Grund zur Freude, diese Weingebiete sind Freunde und keine Feinde. Es geht jetzt darum, die Position der Schweizer Weine nicht zu schwächen. Wir sollten die Situation nicht mit den Augen des Konkurrenten betrachten, sondern im Sinne gegenseitiger Hilfe. Die Schweizer Weinregionen müssen solidarisch sein.

 

Wie kann der Waadtländer Wein den andern Kantonen helfen?

Es ist wichtig, die ganze Nachfrage befriedigen zu können. Angesichts der aussergewöhnlichen Qualität ermöglicht das diesjährige Erntevolumen im Waadtland genügend Weine zu produzieren und so den ganzen Bedarf – Gastronomie, Grossverteiler, Privatkunden – zu befriedigen. Unser Ziel ist nach wie vor, den Import von billigen ausländischen Weinen zu limitieren.

Nicolas Joss directeur de l'OVV

In der Nase spürt man einen Duft von reifen Äpfeln und eine leichte Safrannote

Apropos Preise – sind die Schweizer Weine nicht einfach zu teuer?

Keineswegs. Man findet sowohl Waadtländer als auch andere Schweizer Gewächse für jedes Budget. Zudem sind wir bei gleicher Qualität durchaus konkurrenzfähig, wenn nicht gar günstiger.

 

Was sagen Sie zur Qualität?

Die Schweizer Weine haben in den vergangenen Jahren eine spektakuläre Qualitätsentwicklung hingelegt. Ein Glücksfall, denn es ist eine der Aufgaben des OVV, dies zu kommunizieren und verständlich zu machen. Dies ist auch das Ziel unserer Zusammenarbeit mit dem GaultMillau Channel, den wir im Rahmen einer Partnerschaft unterstützen.

 

Welches sind die Erfolge des OVV?

Die vom OVV 2012 initiierte Appellation «1er grand cru» ist ein Qualitätslabel, das sich bewährt hat. Heute sind 28 Crus zertifiziert, gegenüber zwölf im Jahr 2012. Das zeugt vom Willen der Region, das Weinerbe aufzuwerten. Wir haben auch zahlreiche Aktivitäten, um Weinbau und Gastronomie einander näherzubringen. Heute findet man den Chasselas in allen grossen Restaurants der Schweiz und ist dort sehr beliebt. Auch die Tage der offenen Weinkeller stossen auf zunehmende Begeisterung. Alle diese Aktionen tragen dazu bei, die Wertschätzung für den Wein zu steigern und die Sensibilität der Konsumenten für Qualitätsweine zu fördern.

Hat sich das Verhalten der Konsumente somit geändert?

Ja. Weinliebhaber sind immer mehr Genussmenschen und kritisch. Man kann sie nicht hinters Licht führen. Besonders freut mich, dass sich immer mehr junge Menschen für Wein interessieren. 45% der Besucher der Tage der offenen Weinkeller waren zwischen 18 und 35 Jahre alt. Der Frauenanteil lag bei fast 50% und wir beobachten immer häufiger, dass die weibliche Kundschaft Weine auswählt und über den Kauf bestimmt.

 

 

Welches sind die grösseren Zukunftsprojekte des OVV?

Das Winzerfest 2019 in Vevey. Der nationale Anlass ist im immateriellen Kulturerbe der UNESCO aufgenommen worden und für das OVV eine glänzende Plattform, seine Aktivitäten weiterzuführen und sich als logistisches Instrument für die Weinwelt zu profilieren.

 

Trotzdem haben Sie Ihren Weggang im nächsten Frühling angekündigt? Haben Sie genug vom Waadtländer Wein?

Keineswegs. Nach fünf Jahren braucht es innovative Ideen und neue Energien, um die Leistungsfähigkeit weiterhin zu garantieren. Für mich persönlich werde ich zunächst eine Situationsanalyse vornehmen. Aber ich schliesse nicht aus, mit der Welt des Weines, mit der ich sehr verbunden bin, auch in Zukunft in Kontakt zu bleiben.

Nicolas Joss directeur de l'OVV

Adieu: Nicolas Joss verlässt OVV auf Anfang 2018 nach fünf Jahren

>> Nicolas Joss, gelernter Koch, ausgebildeter Sommelier und Absolvent der Hotelfachschule Lausanne, ist Direktor des «Office de Vins Vaudois». OVV ist Partner des GaultMillau Channels in der Romandie. www.ovv.ch