Text: Stephan Thomas I Fotos: Fabienne Bühler

Flaschenhimmel. Es ist das Paradies. Alle Weinfreunde kriegen im Keller des «Gupf» in Rehetobel AR glänzende Augen. Sogar der Himmel hängt hier voller Flaschen. Genauer gesagt: das Gewölbe des Grossflaschenkellers, wo die Doppelmagnums, Salmanazars, Melchiors und Co. an die Decke geheftet sind. Man kann sich nicht sattsehen. 3000 Positionen liegen oder hängen hier. Das bedeutet 30'000 bis 33'000 Flaschen. Wollte man das allein austrinken, reicht ein Leben nur, wenn man ein biblisches Alter erreicht - selbst wenn man täglich eine Flasche kröpft. Dennoch gibt es hier keine «Kellerleichen». «Wir setzen in einem Jahr fast die Hälfte des Bestands um», sagt Chefsommelier Stefan Schachner. Seit 2005 arbeitet er im «Gupf». «Dennoch trinkt der einzelne Gast nicht übermässig viel. Im Schnitt sind es moderate 5 dl.» Grund dafür ist die hohe Auslastung. Oft ist im «Gupf» nur mit frühzeitiger Reservation ein Platz zu ergattern. Bild oben: Im «Gupf» hängt der Himmel voller Flaschen. 

Zum Gupf, legendärer Weinkeller, mit Sommelier Stefan Schachner, 11. Dezember 2021, Rehetobel AR

Was für eine Adresse: 18-Punkteküche von Walter Klose und Traumkeller auf dem «Gupf», Rehetobel AR.

James Bond in Rehetobel. Dass hier oben, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, einer der grössten Weinkeller des Landes steht, ist nicht selbstverständlich. Auch dem Gebäude, einem Appenzeller Holzhaus, ist das nicht anzusehen. Selbst wenn man weiss, dass die Gäste für Walter Kloses erlesene Küche hierher pilgern, ist der Abstieg in den Keller eine Überraschung. «Es ist wie bei James Bond», sagt Fotografin Fabienne Bühler. Tatsächlich: In der Mitte steht eine Konsole mit riesigem Bildschirm. Man kann hier die Nummer der Kartenposition eintippen, und schon blinkt ein Lämpchen auf. Es zeigt die Position der gesuchten Flasche. «Allerdings haben wir mittlerweilen so viele Weine, dass das System langsam an seine Grenzen stösst», präzisiert Stefan.

Zum Gupf, legendärer Weinkeller, mit Sommelier Stefan Schachner und Gastgeber Walter Klose, 11. Dezember 2021, Rehetobel AR

Die Monsterflasche! Ein «Kracher», 480 Liter.

Zum Gupf, legendärer Weinkeller, mit Sommelier Stefan Schachner, 11. Dezember 2021, Rehetobel AR

Rarität in der Karaffe: Taylor's Jahrgang 1863. 

Zum Gupf, legendärer Weinkeller, mit Sommelier Stefan Schachner, 11. Dezember 2021, Rehetobel AR

Bordeaux vom Feinsten, soweit das Auge reicht.

Gewichtige Weinkarte. Auch im Paradies gibt es viel Arbeit. Jedenfalls für Stefan Schachner, seit kurzem Chef de Cave und Sommelier in Personalunion. Zweimal die Woche werden die Printausgaben der Weinkarte nachgeführt. Ein Glück also, dass es nur acht Exemplare gibt. Diese allerdings sind so schwer, dass man Blumen damit pressen könnte. Aber Stefan ist nicht nur Weinverwalter, er muss die Flaschen auch an die Gäste bringen. «Das Primäre bei meinem Beruf ist, dass man ein Gespür für den Gast hat. Einen Wein zum Essen zu empfehlen ist vergleichsweise einfach. Einen Wein auf einen Kunden abzustimmen kann hingegen eine Herausforderung sein. Ich bin also in doppelter Mission unterwegs: gustatorisch und psychologisch.» Womit wir wieder bei James Bond wären.

 

Spontan am Herd. Gefordert ist auch 18-Punktechef Walter Klose. Erstens trägt er die Gesamtverantwortung im Gupf. Zweitens ist manchmal seine Flexibilität gefragt, denn nicht immer wird ein Wein zu seinen Gerichten ausgesucht. Es kann auch das Umgekehrte vorkommen, dass ein Wein im Zentrum steht und Walter nach einem passenden Gericht schauen muss. «Manchmal improvisiere ich dann halt. Zaubere zum Beispiel eine Cassolette aus dem Hut.»

Sammeln und geniessen. Den Anstoss für diese Sammlung gab Migg Eberle, Eigentümer des «Gupf». Der 85jährige Unternehmer und Geniesser ist immer mit dabei, wenn es um Belange des Weins geht. «Es ist eine Riesenarbeit. Man muss immer up to date sein, denn die Weine werden weggetrunken und müssen nachgekauft werden. Man muss auf die Hilfe von Fachkräften zählen können. Das Sortiment bestimmen wir im Team. Dabei nehme ich sehr konkret Einfluss.» Besonders wohl bei der Lancierung der 480 Liter fassenden Riesenflasche mit Süsswein von Alois Kracher, dem Fotosujet Nr. 1 im «Gupf»-Keller. «Wir wollen Wein, der getrunken wird, auch wenn wir gewisse Sachen mit Sammlerwert haben. Aber wir würden nie mit dem Wein handeln, auch wenn sich damit viel Geld machen liesse.»

>> www.gupf.ch