Text: Max Fischer I Fotos: Jacopo Salvi

Erschwinglich & hochwertig. Herausragende Manufakturuhren, auserlesene Oldtimer – Chopard-Co-Präsident Karl-Friedrich Scheufele gibt sich auch als Weinbauer nur mit aussergewöhnlicher Qualität zufrieden. «Wir wollen im Einklang mit der Natur erschwingliche Weine produzieren, in denen das Terroir unverfälscht zum Ausdruck kommt.» Seine Prämisse: die bestmögliche Signatur der Weinberge im Bergerac – und das erst noch biodynamisch!

 

Die Entdeckung. Im aktuellen «Weinseller» führt Chandra Kurt den Grand Vin von Château Monestier La Tour Côtes de Bergerac (mit 60% Cabernet Franc und 40% Merlot) «als wahre Entdeckung» in der Kategorie «Discovery» der besten Weine unter 30 Franken (er kostet 25 Franken). Biodynamisch und von Hand geerntet. 15 Monate im Barrique-Fass. Noch besser: das Preis-/Leistungsverhältnis beim weissen Zweitwein Cadran Blanc Château Monestier La Tour Bergerac (65% Sauvignon Blanc, 33% Sémillon und 2% Muscadelle) für 17 Franken – herrlich frisch zum Apéro, aber auch zur Begleitung eines Fisches. Interessant für Gaumen und Portemonnaie: der süsse Château Monestier La Tour Saussignac für 22 Franken. Die Sémillon-Reben sind 60-jährig und werden mit 10 Prozent 35 Jahre alten Muscadelle-Reben assembliert. Das Ergebnis macht manch teureren Süsswein echt sauer.

 

Rudolf Steiner, Goethe und Rousseau. Der biodynamische Weinbau geht auf den Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner und die Demeter-Bewegung zurück. «Aber auch schon Goethe und Jean-Jacques Rousseau machten auf den Zusammenhang von Menschen, Tieren und der Natur aufmerksam. «Rousseau war besonders fasziniert von der Welt der Pflanzen und versuchte das botanische Wissen populär darzustellen», sagt Karl-Friedrich Scheufele. «Auch wenn Mystisches auf den ersten Blick etwas abgehoben wirkt, ist heute wissenschaftlich grossteilig erwiesen, dass etwas dahintersteckt», sagt Scheufele. «Die grössten Weine der Welt werden biodynamisch produziert – wie etwa die Weine der Domaine de la Romanée-Conti», sagt er. Für ihn ist klar: «Für den Wein sind wir von der Natur abhängig, der Mensch muss sich ihr unterwerfen.»

Karl-Friedrich Scheufele und seine Frau Christine, Château Monestier La Tour, Weingut in Frankreich.  HO via Chandra Kurt, Byline Fotograf Jacopo Salvi

Der wunderbare Besitz von Christine und Karl-Friedrich Scheufele: Château Monestier La Tour in Bergerac.

Kamille & Schachtelhalm. Château Monestier produziert ohne Pestizide, Biozide, Herbizide, Fungizide und künstlichen Dünger. Gestärkt werden die Reben mit Kompost, Humus, Tees und Sprays. So aktiviert beispielsweise die Brennnessel die Mineralien und Enzyme für das Wurzelwachstum. Der Schachtelhalm wiederum wird vor allem gegen die Ausbreitung von Pilzkrankheiten gespritzt. Und die Kamille belebt durch ihre relativ hohen Kalziumwerte den Pflanzenwuchs. Im eigenen Kräutergarten werden unterschiedlichste Pflanzen und Kräuter gezogen, im Herbarium warten sie auf ihren Einsatz.

 

Kuhhörner & Mondkraft. Der Winzer füllt die Hörner mit Kuhmist oder Quarz und vergräbt sie von Frühjahr bis Herbst ober über den Winter im Boden. Wenn sie dort Licht, Wärme oder einfach nur Lebenskräfte angereichert haben, werden die umgewandelten Füllungen mit Wasser verrührt und im kommenden Jahr in feinster Dosierung im Weinberg versprüht. Sehr zentral ist der Boden: Seine Aktivierung und Revitalisierung findet unter Einbezug kosmischer Kräfte statt – beispielsweise der Mondkraft. So wird dem bei zunehmendem Mond gelesenen Wein ein längeres Leben vorausgesagt als dem, der bei abnehmendem Mond geerntet wurde. «Doch keine Angst», sagt Scheufele, «wir sind keine Extremisten und tanzen jetzt nicht im Mondschein um die Reben herum».

 

Bergerac statt Bordeaux. Karl-Friedrich Scheufele ist Co-Präsident von Chopard, einer der letzten bedeutenden Uhren- und Schmuckhersteller in Familienbesitz. Er liebt nebst edlen Tickern und alten Autos auch charaktervolle Tropfen. Problemlos hätte er sich ein Luxus-Gut im Bordeaux kaufen können. Er ging den schwierigeren Weg: Zusammen mit Frau Christine entschied er sich für Château Monestier in Bergerac – rund 100 Hektaren, davon 30 mit Reben bepflanzt.

ChAC/teau Monestier La Tour, Weingut in Monestier, Frankreich

225-Liter-Barriquefässer wie in Bordeaux: Der Wein ruht teils in neuen, teils in gebrauchten - damit der Einfluss des Holzes nicht zu dominant ist.

Honeymoon und Landidylle. Das Gut gehörte vor Jahren auch einmal der neuseeländischen Opernsängerin Kiri Te Kanawa. «Mehr als 25 Jahre suchten meine Frau und ich nach einem interessanten Château mit Weinbergen.» Dann fanden sie es: «Wir wollten einen Ort abseits von Autobahn, Flugplatz und Grossstadt. Ländlich und unberührt. Und einen Weinberg, dem wir eine eigene Handschrift aufsetzen können.» Mitgeholfen hat vermutlich die Tatsache, dass die beiden sich schon auf ihrer Hochzeitsreise vor 20 Jahren in die Gegend verliebten. Seit 2012 renovierten sie das Chateau, parzellierten sie die Weinberge.

 

Entenpower und Bio-Kost. Mit Freude bewegt sich Auto-Afficionado Scheufele mit einer Ente zwischen den Weinbergen fort: «Mein 2 CV von 1959 – also fast mein Jahrgang – ist aber ein Schönwetterauto. Es wäre schade, wenn man den im Regen fährt.» Und wie viel Scheufele steckt im Wein? «Wir machen die Assemblage selber», sagt er. «Und wir beschäftigen uns im Detail mit jedem Schritt und hinterfragen vieles, um es besser zu verstehen.» Es seien zehn lange Jahre gewesen. «Da kann man nichts improvisieren. Man braucht wirkliches Interesse, man muss sich ständig damit beschäftigen.» Und man müsse schon mal bereit sein zu arbeiten, wenn andere nicht arbeiten. Er sieht Parallelen zwischen der Welt der Uhren und des Weins: «In beiden Fällen muss man Geduld aufbringen, nachhaltig und mit Präzision arbeiten. Und ohne Fleiss und Begeisterung geht es nicht.» Den einzigen Unterschied sieht er in der Natur, «die einem bei allem guten Willen einen Strich durch die Rechnung machen kann».

 

Cyrano de Bergerac. Die wenigsten kennen Bergerac, die meisten aber Gerard Depardieu in seiner Paraderolle. Als grosser Fechtmeister und feinsinniger Poet mit spitzer Zunge und übergrosser Nase. Doch Bergerac im Périgord ist mehr als die Figur aus dem 17. Jahrhundert, die starb, als Sonnenkönig Louis XIV regierte. Es ist die natürliche Fortsetzung des weltbekannten Anbaugebiets von Bordeaux – und ein Glücksfall für alle, die gerne essen. Foie gras von der Ente oder der Gans und Herkunft des berühmten Périgord-Trüffels. 

Karl-Friedrich Scheufele und seine Frau Christine, Château Monestier La Tour, Weingut in Frankreich.  HO via Chandra Kurt, Byline Fotograf Jacopo Salvi

Rebberge hinter dem Château Richtung Bordeaux: das Licht in Monestier leuchtet speziell mystisch.

Leben wie Gott in Frankreich. Karl-Friedrich Scheufele trinkt bevorzugt einen seiner eigenen Roten aus dem Château Monestier La Tour zu Magret de Canard, einem Cote de Boeuf oder einem Risotto mit Pilzen. Biodynamisch auch bei der Ernährung? «Wir kaufen möglichst nahe unseres Wohnortes und bei kleinen Anbietern ein», sagt er. «Und wir essen alles aus dem Garten, das wir selber ohne irgendwelche Chemie anbauen.» Er esse keine Früchte, die nicht Saison hätten oder von weit her kämen. «Ich konsumiere so nachhaltig wie möglich. Und mit dem biodynamischen Château Monestier la Tour wollen wir auch eine Nachricht senden.»

 

Bruno, Chef de Police. Die Krimireihe von Martin Walker (14 Folgen) spielt im Périgord. Dort geniesst, isst und trinkt sein Inspektor Bruno nebst seinen Ermittlungen fürs Leben gern. Der schottische Autor lebt 4 Monate im Jahr in der Gegend. In seinem bei Diogenes erschienen «Ein kleiner Périgord-Reiseführer» empfiehlt Autor Walker auch einen Abstecher zum Château Monestier der Scheufeles. Walker und sein Bruno kennen die Gegend in- und auswendig. In Bergerac betrieben schon die Römer Weinbau. Über Jahrhunderte stand die Region mit ähnlichen Rebsorten in Konkurrenz zum grossen Bruder aus Bordeaux. Dieser machte dem Kleinen das Leben schwer. Die Bergerac-Weine wurden über den Hafen in Bordeaux verschifft – und hier vom lokalen Zoll benachteiligt.

 

Weiss und süss. Trotzdem erreichten die Tropfen Weltruhm. Im 16. Jahrhundert spalteten Religionskriege das Périgord: Das hugenottische Bergerac unterhielt enge Beziehungen zu Holland und lieferte bevorzugt weisse und vor allem süsse Weine. Im 20. Jahrhundert setzte Bergerac zuerst auf die Massenproduktion von Tafelwein. Erst nach und nach setzte ein Qualitätsdenken ein. «Aktuell arbeiten 29 Prozent der Weinberge in unserer Gegend nach bio- oder sogar biodynamischen Grundsätzen», sagt Karl-Friedrich Scheufele. Der Durschnitt in Frankreich liegt bei 21 Prozent. Gemäss Scheufele lag der Anteil vor 10 Jahren noch im unteren einstelligen Bereich.

 

>> www.chateaumonestierlatour.com