Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder

Nenad Mlinarevic, als du 2015 im «Focus» deine Küche auf ausschliesslich Schweizer Produkte umgestellt hast, wurde Salz plötzlich zum Problem.

Wir wollten kein französisches Fleur de Sel mehr verwenden, wie wir auch keinen Pfeffer mehr in der Küche hatten. Jemand hat mich dann auf das Fleur des Alpes aus den Minen von Bex aufmerksam gemacht. Und ich hatte nie den Eindruck, dass es einen geschmacklichen oder qualitativen Unterschied gibt.

 

Deine Gerichte sind grundsätzlich kräftig abgeschmeckt, welche Regeln hast du, wenn es um den Einsatz von Salz geht?

Ich sage meinen Köchen immer, sie sollen so abschmecken, wie sie es gut finden und dann nochmals 20 Prozent Salz zugeben, um auf das Niveau zu kommen, das ich mir vorstelle.

 

Woher kommt diese Liebe zum Salz?

Vermutlich aus meiner Zeit bei Andreas Caminada, dort wurde und wird immer kräftig gewürzt. Wer das nicht früh lernt, braucht lange, um sich an dieses Niveau heranzutasten, und manche lernen es gar nie.

 

Worum geht es beim Würzen eigentlich?

Eine Speise oder ein Gericht soll in meiner Vorstellung nicht flach schmecken sondern rund. Einfaches Beispiel: zwischen einer Kartoffel, die gekocht und geschält und ohne Salz gegessen wird, und einer gesalzenen Kartoffel liegen Welten.

Nenad Mlinarevic Fleur des Alpes

Vorliebe für Salz: Nenad Mlinarevic.

Nenad Mlinarevic kocht in seinem Labor 2019

Kräftig gewürzt: Schwarzwurzeln mit Trüffelcreme.

Es gibt Köche, die verwenden wenig Salz, weil es ungesund sei, andere sprechen vom natürlichen Aroma, dass sie nicht verfremden wollen.

Das letzte Argument verstehe ich nicht. Eine Karotte schmeckt doch nicht weniger gut, wenn du sie richtig salzt. Auch perfekt gegartes Fleisch kann nur gewinnen, wenn es vor dem Braten gesalzen wird und nach dem Aufschneiden noch mit etwas Fleur des Alpes bestreut wird.

 

Aber überall noch etwas Salz zu streuen, hilft auch nicht immer.

Natürlich nicht, man muss mit Köpfchen würzen. Es ist wie beim Ansatz einer Jus. Wenn die Knochen schon zu Beginn nicht richtig geröstet sind, hinkt man nachher immer dem perfekten Ergebnis hinterher. Wenn wir zum Beispiel unseren Pilzfond kochen, der um rund drei Viertel reduziert wird, setzen wir am Anfang nicht viel Salz oder Sojasauce ein, weil sich der Effekt durch die Reduktion massiv verstärkt.

 

Wo ist die Grenze, wann ist zu viel Salz im Spiel?

Es ist ein schmaler Grat. Wenn ich würze, braucht es nur sehr wenig mehr, und es ist versalzen. Das ist ebenso unharmonisch wie zu viel Säure oder Bitterkeit. Aber bei mir gilt grundsätzlich: «Wir kochen mit Bums!».

 

Macht das nicht jeder Koch?

Überhaupt nicht, ich habe schon einen Salzstreuer ins Restaurant mitgenommen, weil ich wusste, dass der Kollege für meinen Geschmack zu vorsichtig würzt. Aber ich will ja auch niemanden vor den Kopf stossen, indem ich am Tisch nach Salz frage. Meine Vermutung ist, dass viele Köche ihr Essen zu wenig probieren. Man muss den Löffel immer wieder eintauchen, schmecken und immer wieder würzen. Oft ist es schade um das Gericht, wenn jemand viel Zeit investiert, alles exakt schneidet und schön anrichtet, aber am Schluss schmeckt es nicht richtig, weil vergessen wurde, noch ein paar Salzflocken zu streuen.