Text: Urs Heller Fotos: Olivia Pulver, Nicole Pont

1 I Der Mann, der Rinderherzen raspelt. Den Namen muss man sich merken: Jeroen Achtien, ein holländischer Chef mit holländischer Brigade. Sein Einstand im «Vitznauerhof» war fulminant; jetzt folgt der Härtetest im «Waldhotel» Davos. Best of Achtien? Er raspelt Rinderherzen über den Saibling. Er schneidet den «Monkfish» frech wie kein zweiter. Er ist, wie junge Köche heute so sind: ein cooler Kerl! Sein Lehrmeister? Jonnie Boer, drei Sterne in Zwolle NE. Jeroens Startkapital: 16 GaultMillau-Punkte.

Chefköchin Marie Robert, Restaurant Le Café Suisse, Bex (VD) - 21. August 2018 - Copyright Olivia Pulver

Marie Robert, «Le Café Suisse», Bex VD, 16 Punkte.

Pascal Steffen. Wurde mit 16 Gault Millau-Punkten ausgezeichnet und als Entdeckung des Jahres gefeiert. Koch vom Restaurant Roots in Basel. Dienstag 09. Oktober 2018 Foto © Nicole Pont

Pascal Steffen, «Roots», Basel, 16 Punkte.

2 I Die junge Frau aus dem «Café Suisse». Ihre Begeisterung ist ansteckend, ihre Kreativität riesig: Marie Robert hat meinen Testerkollegen in der Romandie gleich zwei Punkte mehr entlockt. Und einen grossen Titel: «Köchin des Jahres». Mir gefällt, dass der neue Star für einmal nicht in einem teuren Hotel kocht, sondern im wunderschönen «Café Suisse» in Bex VD. Und mir gefällt, wie sie mit dem neuen Druck locker umgeht: «Wir sind seit der Wahl immer ausgebucht. Ich liebe diesen Stress!» Neues Rating für die wilde Marie: 16 Punkte.

 

3 I Die Nummer 2 ist jetzt die Nummer 1. Wär’ ich Headhunter, würde ich in guten Brigaden immer die Nummer 2 abwerben. Glauben Sie mir: Die Stellvertreter haben’s drauf und chrampfen für zwei. Schön, wenn dann einer den Sprung ins Rampenlicht schafft: Pascal Steffen, jahrelang im Schatten von Nenad Mlinarevic, schlägt jetzt in Basel Wurzeln («Roots»). Ich bin eher ein Gemüsemuffel. Aber von Pascals Grünzeugs lasse ich mich jederzeit bekehren. Rating für den Luzerner am Rhein: 16 Punkte.

 

4 I Eine Sinfonie von Mahler. Wie übernimmt man eine Küche, die zuvor mit 18 Punkten und zwei Sternen ausgezeichnet war? Mit einem eigenen Konzept! Patrick Mahler verzichtet darauf, seinen Vorgänger Nenad Mlinarevic zu kopieren, tritt mit seiner eigenen jungen Brigade an und hält das noble Park Hotel Vitznau mit seinen kulinarischen Symphonien in der Spitzenklasse. Einstand mehr als nur geglückt, Startkapital 17 Punkte.

5 I Kennen Sie Signor D’Errico? Zürcher Feinschmecker müssen sich diesen Namen dringend merken. Giuseppe kocht mit seinen Kumpels unaufgeregt und unglaublich präzis, zaubert die italienische Küche auf ungewohnt subtiles Niveau. Seine Bühne: das elegante Ristorante Ornellaia, das neue Flaggschiff der Bindellas an der Bahnhofstrasse. Der gnadenlos reduzierte Entenjus und der zwei Tage lang «bearbeitete» Kalbsfond sind von einem anderen Stern. Giuseppes Lehrmeister? La Famille Troisgros in Roanne! 16 Punkte.

 

6 I Die Magie des Restaurants Mesa. Linda Mühlemann hat ihr Geld mutig investiert: In die unkompliziert-gehobene Gastronomie. Fürs «Mesa» engagiert sie immer wieder hyperbegabte Chefs: Marcus G. Linder. Antonio Colaianni. Und jetzt Sebastian Rösch! Der wurde berühmt. Weil er so nett zu Vegetariern und Veganern ist. Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Rösch beherrscht alle Disziplinen, ist im Fahrstuhl nach oben. Der Gang, der ihm einen Punkt mehr einbrachte? Kingfish, leicht angebeizt, mit grünen Meeresspargeln und einer Dashi mit Yuzu und Gurke. Rating: 16 Punkte.

 

7 I Romain und seine königlichen Hasen. Der Entdeckertraum aller Tester: Ein grossartiges Restaurant am A… der Welt! Bitteschön, wir haben so eine Adresse: «La Pinte des Mossettes» hoch oben am Jaunpass. Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Wobei das mit dem Hasen so eine Sache ist: Romain Paillerau liebt die Wildküche, und der «lièvre royal» ist sein Paradegericht – deftig und gut, zubereitet in tagelanger Arbeit! Seine «Pinte» ist jede Anfahrt wert. Jetzt tafelt man in der getäferten Stube, im Sommer dann wieder unter den alten Kastanienbäumen. 16 Punkte – und ich trau ihm noch mehr zu.

8 I Seppi Kalberer? Roger Kalberer! Ich habe selten einen so stolzen Vater gesehen wie Seppi Kalberer an der GaultMillau Garden Party in Bad Ragaz. Seppi hatte «Rayonverbot», war nur Zuschauer. Gekocht hat sein Roger ganz alleine – und für seine raffinierten Ravioli gab’s Begeisterungsstürme. So ist es jetzt auch daheim im «Schlüssel» Mels: Der Junior ist der Boss, schreibt mutig seine eigene Karte. Zweierlei ist geblieben: Der riesige Aufwand für die perfekten Saucen. Und die geschmorten Kalbsbacken, eine kulinarische «Jahrhundert-Erfindung» seines Vaters. Rogers Küche ist eine Entdeckung. Die 17 Punkte bleiben im Haus.

 

9 I Erst zahlen, dann essen. Markus Arnold ist Berns Pop-up-König. Der Ruf verpflichtet: In seiner «Steinhalle» ist alles etwas anders als üblich. Am liebsten hat der Chef, wenn man beim Reservieren bereits bezahlt und dann genau das ist, was ihm die Küche empfiehlt. «Tout Bern» unterwirft sich diesem Ritual klaglos – weil Arnold ein Master des Geschmacks ist, seine Karte und seinen Stil alle paar Monate umkrempelt und auch am Mittag neue Wege geht: «Easy Lunch» ist dann angesagt, mit kleinerer Brigade, aber guter Qualität. Rating für den Trendsetter: 16 Punkte.

 

10 I Die Bottura-Filiale in Madulain. Meine neueste Entdeckung? Die «Stüva Colani» in Madulain, 20 Minuten von St. Moritz entfernt. Im wunderschönen Engadiner Haus kocht ein wunderbarer Chef: Paolo Casanova. Der junge Patron mag Gamberi Rossi. Ich auch. Man kriegt sie zum Tatar aufgeschnitten oder über einer fantastischen Linguina. Casanova kommt «aus gutem Haus»: Massimo Bottura, Italiens berühmtester Koch, war sein Lehrmeister. Paolo hat ein paar Bottura-Tricks mitgenommen in die Berge, geht aber seinen eigenen Weg. Erstes GaultMillau-Rating: 15 Punkte.