Text: Urs Heller Fotos: Fabian Häfeli
Einen Moderator braucht Raue nicht. Die hochelegante, neue «MS Excellence Countess» legte in Strassburg etwas später ab als geplant. Guestchef Tim Raue war bei Kollege Marc Haeberlin (nur noch zwei Sterne) im nahen Illhäusern am Lunch. Das Warten auf den Star lohnte sich. Deutschlands berühmtester Chef, wegen einer Lungenentzündung etwas geschwächt, war abends die Gage wert: Eine ziemlich grandiose Küche. Und eine ziemlich freche Berliner Schnauze. Das tönt dann etwa so: «Ihr seid nicht nur zum Fressen da, ihr seid auch zum Saufen da», sagte Tim, als er den Winzer der Gala vorstellte: Achim Tement vom beeindruckenden (Familien-) Weingut in der Steiermark (Gelber Muskateller, Sauvignon Blanc, Morillon). Wo Raue auftritt, Braucht’s eigentlich keinen Moderator: Monika Schärer, bekannt von Funk & Fernsehen, verbrachte einen geruhsamen Abend; sie trug es mit Fassung.
Ein ganz starker Auftritt auf dem Rhein: Der Berliner Tim Raue.
Tim kann auch vegan: Petersilie, Yuzy und Cordifole (Herzblattsalat).
Raue kann auch vegan. Tim Raue führt ein halbes Dutzend Restaurants (auch im «Kulm» St. Moritz), tritt regelmässig in TV-Shows auf, meist mit und gegen Tim Mälzer. Da wollte der «kleine fette Berliner Koch» (Eigendeklaration!) ein paar Pfunde loswerden. Tim: «Ich esse zwei, dreimal die Woche vegan, bin leichter und fühle mich besser.» Also essen jetzt auch seine Gäste vegan, wenigstens bei einem der sechs Gänge: Petersilie, Yuzusaft, Cordifole. Wir sagen es ungern: Das war etwas vom besten an diesem Abend. Weil Raue natürlich auch hier seine Geheimwaffe, die Schärfe-Keule ausfuhr: Thai-Pfefferkörner! Dieser «Trick» begeisterte bereits beim Amuse-bouche: Mit rotem Thai-Curry («wir machen alle unsere Curry-Mischungen selber») wird auch eine eigentlich simple Kürbissuppe plötzlich zum Gourmet-Gericht; Kürbis mit Gojuchang aus Korea gab’s auf einem Löffel dazu.
Kabeljau, Kamebishi und nur ein Löffel. Im Raue-Repertoire gibt’s ein Gericht aus der kantonesischen Küche, das wir immer wieder bestellen. War auf der «MS Excellence Countess» glücklicherweise auf dem Programm: Ein schneeweisser Kabeljau, von Haut und Gräte befreit, bei nur 60 Grad präzis gedämpft, Lauch und junger Thai-Ingwer dazu. Fantastisch wie der edle Fisch die edle Sauce: Kamebishi Soja, zehnjährig, sündhaft gut, sündhaft teuer. Wir löffelten sie bis zum letzten Tropfen weg und nahmen verwundert zur Kenntnis, was der Chef den Gästen mitteilte: «Den Löffel behalten. Sie kriegen heute Abend nur ein Besteck. Schont die Umwelt, macht den Service schneller.»
Der Paradegang: Kabeljau, zehnjährige Kamebishi Sojasauce, Lauch & thailändischer Ingwer.
Hummer, Huhn & Kalb. Tatsächlich: Raue servierte den Sechsgänger für 150 Gäste aus der kleinen Bordküchen in einem Höllentempo. Hummer gab’s da noch, mit Karotte, Tomate und Ingwer (Tim: «gibt dem Gericht einen ordentlichen Bums!»), ein wunderbar geschmortes Kalb mit «Morning Glory» (Thai-Spinat), Liebstöckel, asiatischer Wassermelone und tiefer Sauce. Dazwischen «eine Runde Personalessen»: Ein Eintopf mit Topinambur, Waldpilzen und kleinstgehacktem Huhn. Dem Personal geht’s gut bei Raue: Ziemlich viel schwarzer Trüffel und piemontesische Haselnüsse waren da auch noch drin. Dessert? Ein lustiger Koi-Fisch aus Mango, Vanille und Passionsfrucht. Den Pâtissier hat Raue bei Rico Zandonella in Küsnacht ZH abgeworben.
«Niederknien vor Peter Knogl!» Raues Lieblingsadresse in der Schweiz? Restaurant Cheval Blanc in GaultMillaus Hotel des Jahres «Les Trois Rois» in Basel. Tim: «Hinreissend gut, unglaublich elegant. Ich könnte niederknien. Peter Knogl sieht aus wie ein Metzger und kocht wie eine Ballerina.» Den «Metzger» wird das Kompliment freuen. Den Regisseur des «Excellence Gourmetfestivals», Stephan Frei vom Reisebüro Mittelthurgau, auch: Natürlich gehört auch Peter Knogl zu den Stars, die Freis Gäste jedes Jahr zwischen Basel und Strassburg begeistern. Nach der Show ist vor der Show: Geschäftsführer Frei macht sich an das Line-up fürs «Excellence Festival 2020»; zu Tim Raue würden wir wieder kommen.
