Interview: Knut Schwander Fotos: Thomas Buchwalder, HO

Sie führen ein Spitzenrestaurant, das täglich ausgebucht ist und von Gästen aus aller welt besucht wird – wie haben Sie die Schliessung erlebt?

Es war kompliziert. Am Samstag vor dem Lockdown erhielten wir um 17.30 Uhr eine E-Mail mit der Vorschrift, dass zwischen den Tischen eine bestimmte Distanz einzuhalten sei. Das ist bei uns kein Problem. Schon schwieriger war die Forderung, den Abstand zwischen den Gästen sicherzustellen. Vor allem aber wurde verlangt, das Restaurant um 22 Uhr zu schliessen. Können Sie sich das vorstellen? Es war wie im Krieg. Die Gäste hatten das komplette Menü bestellt. Um 21.45 Uhr standen zwei Polizisten am Empfang. Sie wollten kontrollieren, ob wir die Vorschriften auch wirklich einhalten. In einzelnen Fällen mussten wir zwei Gänge aufs Mal servieren, was in normalen Zeiten völlig undenkbar ist. Die Gäste zeigten viel Verständnis für diese einzigartige Situation.

 

Was haben Sie mit den Produkten gemacht?

Wir verteilten die meisten Frischprodukte wie Käse, Zitrusfrüchte und Gemüse an unsere Mitarbeiter. Nur Kaviar ist ja länger haltbar.

 

Normalerweise arbeiten sie täglich mit Vollgas. Wie sehen jetzt Ihre Tage aus?

Der Betrieb beansprucht mich nach wie vor. Es ist eine seltsame Situation: Ich arbeite nicht, bin auch nicht in den Ferien. Ich bin jeden Tag im Restaurant, auch wenn es geschlossen ist.

 

Was tun Sie dann?

Ich beschäftige mich mit Papierkram. Ausserdem nahm ich allein an der Versammlung des Verwaltungsrates teil, wo ich als Autodidakt die Fragen beantworten musste. Man lernt täglich hinzu. Unsere beiden Buchhalter sind stets im Büro und versuchen, die Ausgaben im Griff zu behalten. Und dann mussten wir noch die Buchungen und Events bis Mai annullieren.

 

In der Küche passiert nichts mehr?

Letzte Woche bereiteten wir Esskörbe für die Spitäler vor. Elodie Jacot-Manesse, die bei uns auch Kurse erteilt, hat mir dabei geholfen. Bei der Grösse unserer Küche ist Social Distancing kein Problem. Meine beiden Kinder halfen mit 1500 Schokoladenschachteln zu verpacken.

Hotel de Ville, Crissier

Eines der berühmtesten Restaurants der Welt: Franck Giovanninis «Hôtel de Ville», Crissier VD.

Aber Sie können dennoch Zeit zu Hause verbringen?

Ja, ich bin mehr bei meiner Familie. Das ist der positive Aspekt. Wir räumen auf, spielen, gärtnern und kochen. Ich bin zwar kein grosser Sportler, aber ich gehe täglich eine bis eineinhalb Stunden nach draussen. Ich habe das Glück auf dem Land zu leben und jogge, spaziere. Ich versuche sogar, Gewicht zu verlieren. Vielleicht klappt’s.

 

Wie erleben Ihre Mitarbeiter die Situation?

Ich erhalte viele Nachrichten, wir bleiben dank unserer WhatsApp-Gruppe in Kontakt. Glücklicherweise ist niemand krank. Berührend sind auch die vielen Botschaften, die wir von Gästen erhalten, die sich aufs Wiedersehen freuen. Ich spüre viel Zuneigung. Das ist wirklich schön.

 

Wie planen Sie die Wiedereröffnung?

Ich hoffe, dass wir frühzeitig informiert werden. Für die Vorbereitungen brauchen wir mindestens vier Tage. Nach der wochenlangen Schliessung muss alles neu gereinigt werden, wir müssen Bestellungen aufgeben und die neue Karte lancieren. Dies wird für Crissier eine Premiere sein: Wir werden die neue Karte auflegen, ohne dass wir uns im Saal vorbereiten und in der Küche üben konnten. Eine Herausforderung.

 

Die nächste Karte steht?

Die Frühlingskarte habe ich schon vor dem Lockdown geschrieben. Ob wir sie auch wirklich einsetzen können, ist noch fraglich. Falls das Restaurant erst Anfang Juni eröffnet wird, werde ich eine neue Karte konzipieren. Die Schwierigkeit dabei: Wir wissen nicht, welche Produkte erhältlich sein werden. Wir bevorzugen ja Produkte aus der Schweiz, damit sollten wir keine Probleme haben. Anders sieht es bei Produkten aus dem Meer aus. Die beziehen wir vor allem aus Frankreich.

 

Take-away war kein Thema für Sie?

Wir haben kein Take-away organsiert, dies wäre bei unserem Stil Küche schwierig zu realisieren. Falls die Situation andauern wird, werden wir eine Take-away-Bäckerei eröffnen und dazu Produkte anbieten, die sich für Lieferungen eignen, etwa Suppen oder Terrinen. Aber ich hoffe fest, dass sich die Situation normalisieren wird. Es ist so schade, wir waren bereit für ein Super-Jahr.