Text: Anita Lehmeier | Fotos: Valeriano Di Domenico

FEIERN IM JUGENDSTIL-SCHLÖSSLI. Die Partys im «Vitznauerhof» in Vitznau geniessen einen legendären Ruf, seit das Gastgeber-Duo Raphael Herzog und Chef Jeroen Achtien im Jugendstil-Schlösschen am Fuss der Rigi am Werk ist. Die vierte «White Night» war innert Kürze ausgebucht, anders als letztes Jahr mit Schutzmassnahmen durften die Gastgeber heuer dank 3G «Full House» machen. 150 Gäste ganz in Weiss genossen das Gedränge in der Küche, die sich für einen Abend lang in eine Gourmetmeile verwandelte. Schulter an Schulter wurde gekocht und gegessen, getanzt und gefeiert – wie früher. In Garten und Küche standen acht Chefs mit über 110 GaultMillau-Punkten an den Herden. Der grosse Abwesende: Jeroen Achtien. Den gastgebenden Chef hatte eine heftige Erkältung in die Knie beziehungsweise ins Bett gezwungen. Seine Starchef-Freunde aus dem In- und Ausland hielten das kulinarische Niveau des Hauses locker aufrecht.

Grosses Bild oben: Stefan Heilemann, Robin van de Bunt, Sidney Schutte, Tom Heinzle (Kochbuchautor), Dominik Hartmann, Martin Real, André Siedl, Silvio Germann (v.l.).
 

HOHE ANSPRÜCHE. «Die Qualität des Essens muss stimmen, da gehen wir keine Kompromisse ein», betont Hoteldirektor Raphael Herzog. Dank der vielen Sterne und Punkte, die er an den Events wie der «White Night» ins Haus holt, sichern sich die Gäste gleich ihren Platz fürs nächste Jahr. Die Erkenntnis, dass die Küche die tragende Säule eines Hotels ist, wird im «Vitznauerhof» nicht nur im Normalbetrieb, sondern eben auch an den Partys gelebt und gepflegt. Wenn dann noch das märchenhafte Ambiente des Fachwerk-Schlösschens am Seeufer den Rahmen bildet, steht einem gelungenen Fest nicht mehr im Weg, wie der vergangene Montagabend aufs Feinste bewies. 

GLUT IM GARTEN. Ein erster Leckerbissen erwartete die Gäste beim Eingang: Die Zertifikatskontrolle war von Austern und Champagner begleitet. Zur Blauen Stunde versammelte sich das Partyvolk im Garten, wo Martin Real und Sohn Michael am Feuerring von Ofyr («mein bevorzugter Herd», so der Chef aus Lichtenstein) mit seinem «Fetisch» aufwartete: dem berühmten «Weinlaube»-Hackbraten mit Zerggl. Diese Härdöpfelchüechli hat Altmeister Real von seiner Grossmutter aus dem Zillertal geerbt, «der Geschmack meiner Kindheit». Er macht sie mit zwei Tage gelagerten Gschwellten, Buttermilch und Rohmilch-Bergkäse von Willy Schmid und Kartoffelmehl. Dazu servierten Reals Labne, eine Joghurtkreation aus der Levante mit Zitrone und Salz und ein alpines Chimi Churri aus Peterli und Maggikraut. «Ein so traditioneller wie internationaler Teller», erklärt Martin Real. «Das Einfache ist halt einfach das Beste.» Nebenan wurde ein Fondue kredenzt aus Küssnachter Milch, verarbeitet in der Sennerei Pontresina. Käser-Tochter Tanja Wüthrich ist heute Vize-Direktorin im Vitznauerhof. Im November wird die Käsespezialität auf einem Fondue-Schiff serviert, das am hoteleigenen Schiffssteg ankert.

HOCHGENUSS IM UNTERGRUND. Von der klammen Kälte im See flohen die Gäste gern ins Warme, die Küche im Untergeschoss des Hauses. Hier herrschte im Gedränge bald Sauna-Atmosphäre und dank Vinyl-DJ B2 süttig-heisse Party-Stimmung. An einer ersten Station hatte Sidney Schutte aus dem «Spectrum» in Amsterdam sein U-Boot vorbereitet, eine filigrane, knatschgrüne Komposition, die an eine Koralle erinnert. Der Signature Dish besteht aus mariniertem Hering, schwarzen Herings-Eiern, Eidotter, gerauchter Buttermilch, Zitrone und Miso, alles bestäubt mit getrocknetem, gemörsertem Dill, angerichtet auf einer grünen Vinaigrette. Ein Gebilde wie aus der Tiefsee, fast zu schön zum Essen, aber viel zu gut, um nur anzuschauen.

TÖRTCHEN VOM WOLFSBARSCH. Robin van de Bunt, der zweite Starchef aus den Niederlanden (Restaurant De Leuf, Ubachsberg, 17 GM-Punkte), hielt sich ebenfalls ans Meer. Er servierte ein Törtchen aus Wolfsbarsch, das er zwölf Stunden in Miso mariniert hatte, mit Misocreme, Safran, Knoblauch, Austernsauce, Zitronen und Ingwer aromatisiert und mit Puffreis aufgepeppt hatte. 

TALENT AUS DER URSCHWEIZ. Neben den Gastchefs aus Holland arbeitete das Nachwuchstalent Dominik Hartmann («Magdalena», Rickenbach, 15 GaultMillau-Punkte) an seinem Kartoffelgericht. Auf ein Flan von Albula-Kartoffeln raffelte er mit grosser Geste weissen Trüffel, beim Auslöffeln kamen ein Steinpilzragout und eine gehackte Nussmischung zutage, eine warme, runde Geschmackskomposition. 

White Night im Vitznauerhof

Vater und Sohn hantieren mit dem Feuer: Martin und Michael Real von der «Weinlaube» in Schellenberg, Liechtenstein. 

EIN HAUCH VON SCHOKOLADE. Silvio Germann vom Igniv Bad Ragaz (18 GM-Punkte) betörte die Gäste mit einer Foie-Gras-Terrine, in die er papierfeine Streifen von Schoggi eingearbeitet hat. Zur Terrine kombinierte er eiskalte Gänseleber in Form von Glacé, dazu eingelegte Zwetschgen, Kakao-Crumble und geröstete Milch-Chips, angerichtet auf einem Zwetschgen-Sud. «Am besten mundet das Gericht, wenn man von allem ein bisschen auf einem Löffel mischt», erklärt der Caminada-Jünger den Gästen an seiner Station. 

FUSION VON HEILEMANN. Der Top-Teller, so der Tenor der Gäste, stammte von Stefan Heilemann (Restaurant Widder, Zürich, 18-GM-Punkte, Koch des Jahres 2020): Er überraschte mit einem erstklassigen Langustino auf gelbem Thai-Curry mit gerösteten Kürbiskernen, Kürbiskernöl und Kaffirlimette. «Eine europäisch-asiatische Fusion», erklärte Heilemann beim Anrichten der Schalen, die ihm die Gäste fast aus den Händen rissen. 

DAME DES HAUSES. In einem Nebenraum zu finden war die scheue Dame des Hauses, Claudia Canessa. Sie ist Chefin im Pop-Up Restaurant Yaku im Vitznauerhof (14 GaultMillau-Punkte), als gebürtige Peruanerin huldigt sie der Ceviche. An der «White Night» hat sie Seebarsch verarbeitet, mit roten Zwiebeln, Tamarillo, Rocoto-Thai-Basilikum, knusprigem Mais, Amarant und Shitake.

SCHALL UND RAUCH. Zum Abtanzen, Verdauen und Fachsimpeln mit den Chefs traf man sich anschliessend im Ballsaal in der Beletage, den Tanja Dankner, die DJs und eine All-Star-Band rockten und kräftig beschallten. Oder an der Villiger-Theke im Fumoir zum Rauchopfer. Und sich schon für nächstes Jahr verabredete: Same place, same time!

 

www.vitznauerhof.ch