Text: Knut Schwander

Der Chef. Und sein Team. Punkte, Sterne, begeisterte Gäste, inklusive Bundesrat in corpore: Philippe Chevrier hat den Erfolg gepachtet, sammelt Punkte und Sterne, führt in Genf mehrere Restaurants und Brasserien. Hauptsitz des dynamischen, immer gut gelaunten Unternehmers: Die «Domaine de Châteauvieux» in Satigny GE. Ein 19-Punkte-Restaurant mitten in den Reben. Geführt vom Chef und seinen wichtigsten Mitarbeitern. Grosses Bild oben: von links Damien Coche, Philippe Chevrier, Claryce Turin-Monier, Nicolas Turin.

Côtes d’agneau du Limousin, fricassée d’artichauts. Byline HO

Lammkoteletts aus dem Limousin mit Artischocken.

Figue noire rôtie au miel, mûres à la fève de Tonka, jus au vin rouge, sorbet à la feuille de figues. Byline HO

Mit Honig gebratene schwarze Feige mit Brombeeren, Tonkabohne und Rotweinjus.

Vor 20 Jahren wurden Sie als Koch des Jahres geehrt, vor 30 Jahren erhielten Sie ihren ersten Michelin-Stern. Und seither?

Was zählt ist die Regelmässigkeit. Ich habe nie für die Anerkennung in den Gastroführern gearbeitet. Aber sie honorieren unsere Leistung, was sich danach auch in der Presse niederschlägt. Wichtig ist mir die Zufriedenheit unserer Gäste, für sie versuchen wir, uns immer weiterzuentwickeln und zu verbessern. 

 

Wie kann man sich denn auf Ihrem Niveau mit 19 Punkten und zwei Sternen noch verbessern?

Indem man sich dauernd selbst hinterfragt, indem man auf eine gute, zuverlässige Equipe zählen kann. Aber es braucht auch grosse Investitionen, wenn wir «Châteauvieux» auf jenem Standard halten wollen, den wir uns vorgenommen haben.  Wir haben in all den Jahren Millionen investiert.

 

Was kostet denn so sehr viel?

Allein schon die Lohnkosten belaufen sich auf 40 bis 45 Prozent der Fixkosten. Aber das ist noch nicht alles: Auch der Unterhalt des Gartens und die Blumen kosten 6‘000 Franken im Monat! Ein Ersatz der Tischtücher beläuft sich auf 40’000 Franken. Das neue Geschirr, das wir jedes Jahr wieder auswählen, kommt uns auf zehntausende Franken zu stehen. Und kaum haben wir Covid überstanden, kommt der Ukraine-Krieg. Er lässt die Waren- und Transportkosten explodieren. In einzelnen Fällen müssen wir bis zu 40 Prozent mehr rechnen.  
 

Domaine de Châteauvieux, Aussenansicht, Frühling Byline HO

19-Punkte-Restaurant mitten in den Reben: «Domaine de Châteauvieux».

Serti dans le vignoble de Satigny, le Domaine de Châteauvieux en majesté, va bientôt ouvrir sa belle terrasse qui domine le Tout Genève. Byline HO

Die Terrasse über den Weinbergen ist spektakulär: Mit Blick über ganz Genf! 

Bernard Ravet schliesst Ende Juli seine «Ermitage» in Vufflens-le-Château VD. Sie sind dann der einzige Chef mit 19 Punkten, der auch Eigentümer der Liegenschaft ist.

Ich fühle mich jetzt ein bisschen einsam (lacht). Aber ich bin extrem zufrieden mit meiner Unabhängigkeit und der Möglichkeit, frei entscheiden zu können. Für mich war es fantastisch, Eigentümer dieses Hauses zu werden. Es ist eine Umgebung, die mich inspiriert. Aber es muss nicht immer so luxuriös sein, ein einfaches Bistro kann denselben Effekt auslösen. Ich liebe es, eine gewisse Atmosphäre zu schaffen und sie auf meine Art zu beleben. Das hat mich auch immer zum Erwerb solcher Orte bewogen. 

 

Sie kauften ja mehr als einmal. Haben Sie bereits wieder ein neues Projekt im Visier?

Am Anfang war das Café de Peney, dann kamen Le Vallon und das Relais de Chambésy, das ich inzwischen wieder verkauft habe. Für den Moment bleibt es bei Chez Philippe, Denise’s art of burger, dem Patio Rive-Gauche, dem Café des Négociants und Monsieur Bouillon. Und ja, es gibt tatsächlich bereits ein weiteres Projekt, etwas Einfaches im Zentrum von Genf. Aber es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen. Das Einzige, was ich jetzt schon verraten kann: Es erinnert mich an das Café, wo ich als Kind nach der Behandlung beim Zahnarzt jeweils einen Milchshake trinken durfte.

 

Es ist also der Ort, der Sie beflügelt. Und die Tatsache, Ihr eigener Kapitän zu sein?

Man ist nie allein. Im Gegenteil, man muss die richtigen Leute um sich haben. In der heutigen Zeit kann sich kein Chef mehr als Diva aufführen. Mit den anderen Restaurants kann ich vor allem das Können meiner Mitarbeiter zur Geltung bringen, indem ich sie ihnen anvertraue. Auf «Châteauvieux» weiss ich, dass ich jederzeit auf Damien Coche, Claryce Turin-Monier, Nicolas Turin und eine solide Küchenbrigade zählen kann. Nicht zu vergessen der Empfang und der Service, der seit Jahren von Esteban Valle geleitet wird. In meinen anderen Restaurants kriegen junge Mitarbeiter die Chance, selbstständig zu arbeiten und zu zeigen, was sie draufhaben.
 

Esteban Valle assure un service de haut vol, avec de spectaculaires flambages et des découpes de volailles. Byline HO

Erstklassiger Service: Esteban Valle ist Meister im Flambieren & Filettieren!

Der Keller der Domaine de Châteauvieux birgt einige Schätze. Gehört die Sammlung Ihnen?

Sicher lagern hier einige Schätze wie etwa der Tarragone jaune von 1975 bis 1978 als Teil meiner Sammlung von Chartreuses. Oder der märchenhafte Clos du Mesnil 2006 des Hauses Krug, dessen neuer Botschafter ich bin. Ich liebe zwar den Wein, aber bin nicht ein totaler Kenner. Daher muss ich mich auf professionelle Leute verlassen können, die nicht nur die Weine, sondern auch den Geschmack der jüngeren Generation kennen. So wie unser Sommelier Maxime Cullet, der während der letzten drei Jahre unseren Keller aufgerüstet hat.

 

Gibt es Begegnungen mit Gästen, die Sie beeinflusst haben?

Da gibt es so viele! In meinen bald 36 Jahren im Beruf habe ich schon sechs Generationen derselben Familie kennen gelernt. Dann natürlich die Berühmtheiten, die ausländischen Staatschefs, der Bundesrat, der bereits zweimal in corpore hier war. Ich sage mir immer: Ich, der kleine Koch, bin da, um sie gut zu empfangen. Auch das gehört zur Magie unseres Berufes. Am Tisch passiert so viel Wichtiges: Freundschaft, Heiratsanträge, Business… Kürzlich sagte mir eine Frau, die sehr oft zu Gast und sehr krank war, dies sei ihr letzter Besuch bei uns. Das hat mich sehr berührt. 

 

Was beflügelt Sie?

Ich habe eine wunderbare Frau und einen siebenjährigen Sohn, die beiden sind mein Motor. Zudem laufe ich Marathon, dieses Jahr will ich in New York mitmachen. Ich finde es herrlich, ein solches Leben mit doppelter Leidenschaft zu haben, privat wie beruflich. Auf jeden Fall habe ich die Absicht, auch noch mindestens die nächsten dreissig Jahre im GaultMillau aufgeführt zu sein!  

 
 
>> www.chateauvieux.ch