Text: GaultMillau Schweiz Fotos: Thomas Buchwalder
Besser geht nicht im Engadin! Martin Dalsass kocht in seinem «Talvo» in Champfèr mit einer Lust, einer Leidenschaft und einer Leichtigkeit, die man nur bewundern kann. Die Karte wechselt in scharfem Rhythmus, zwischendurch darf’s auch mal eine «Bollito misto»-Party sein, mit «Chicaròn» vom Ormalinger Schwein, Busecca und Blutwurst Wellington. Dalsass gehört so langsam der Kategorie «ältere Herren am Herd» an, aber Ermüdungserscheinungen sind nicht auszumachen. Die Freude am Job hält ihn auf Trab – und die Ragazzi draussen in der Küche: Eine so blutjunge Brigade wie bei Dalsass sieht man in einer Spitzenküche selten.
Den Hirsch hat Sohn Andrea erlegt. Martin Dalsass ist Südtiroler. Also gibt’s zur Begrüssung Schüttelbrot und Speck. Diesmal kommen noch Hirschwurst und Hirsch-Bresaola dazu. Sohn Andrea hat das stolze Tier in Dorfnähe erlegt; seine erste Trophäe, beim Papa hochwillkommen und in besten Händen. Natürlich folgt auf diesen rustikalen Einstieg gleich ein erster Hammer: Der Patron kombiniert eine lang geschmorte Ormalinger Schweinebrust mit Gamberi rossi aus Marzano. Wir staunen: Das passt wirklich prima! Dalsass hat diese Kombination vor Jahren beim leider früh verstorbenen spanischen Spitzenkoch Santi Santamaria gegessen, nie vergessen und jetzt neu interpretiert. Die «Beilagen»: Puntarelle. Und Oscietra Imperial Kaviar; den ist man St. Moritz wohl schuldig.
Seeigel von den Färöern. Zwei weitere Vorspeisen der Extraklasse: Seeigel, Riesendinger von den Färöer Inseln mit Granny Smith Apfel, dazu handgetauchte Jakobsmuscheln. Und ein überragender Kalbsmilken-Cappuccino mit Selleriepüree und weissem Trüffel. Ehrensache in diesem Haus: Auch fürs Süppchen kommen nur Herzmilken in Frage.
Der Ingwer-Risotto! Ist Pasta das Thema, dann ist die Mannschaftsaufstellung in der grosszügigen Küche schnell gemacht: «Für den Posten den Entremetiers kommen nur Italiener oder Tessiner in Frage. Die haben ein Händchen dafür», sagt Martin Dalsass. Diesmal setzt der Tessiner Federico die Ideen des Maestros um: Da gibt’s den «Signature dish» die feinen Cavatelli mit Meergetier. Und da wird’s auch mal mutig: Cappellacci, mit Kakao im Teig, Kürbis in der Füllung und Kastanien. Tönt etwas anstrengend, aber Dalsass hält die Balance. Natürlich hat der Patron über den Sommer wieder eine neue Risotto-Variante entwickelt. Ingwer ist drin, vermittelt Frische. Und die Gamberi Rossi passen perfekt dazu.
Birkhahn, Rebhuhn, Kaninchen. Natürlich wissen wir, was sich im «Talvo» zum Hauptgang gehört: Ein wilder Vogel! Dalsass ist Spezialist in der Zubereitung junger Birkhähne und hat auch genügend Freunde, die ihm diese seltene Spezies ins Haus liefern. Viel Applaus gibt’s auch für das Rotrebhuhn mit Lebkuchensauce. Wir entscheiden uns für das simpelste Produkt auf der Karte, weil wir wissen, dass der Chef auch Einfaches zu einem kleinen Meisterwerk formen kann. Ein Kaninchen ist es, das zum eleganten Pot-au-feu mutiert. Die Schnittlauchsauce dazu ist ein Traum. Der Fischgang der Saison: Wolfsbarsch, gedämpft, mit Carabineros und etwas Clementine (!) in der Fischreduktion. Wir freuen uns über den genialen «Eiskaffee Talvo» und reservieren bei Schwiegertochter Dora gleich wieder einen Tisch: Einmal Dalsass pro Winter reicht nicht. Dafür ist das Angebot zu gross und zu gut.
Spuhler & Pieper. Zwei begeisterungsfähige Unternehmer halten Martin Dalsass finanziell den Rücken frei: Peter Spuhler und Michael Pieper. Natürlich gehören die beiden Top Shots zu den Stammgästen. Auch der Ski-Zirkus ist gut vertreten: Tina Weirather feiert ihre St. Moritzer Podestplätze grundsätzlich nur im «Talvo».
PS: Im «Talvo» gibt’s die kleinste «Davidoff Lounge» der Welt. Big Smoke in der gemütlichen «Stüvetta», am Kachelofen!
>> Talvo by Dalsass
18 Punkte
Via Gunels 15
7512 St. Moritz-Champfèr
www.talvo.ch