Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder, Olivia, Pulver, HO

Ein Holländer macht Furore. Er gehört zurzeit zu den wohl kreativsten jungen Küchenchefs der Schweiz: Jeroen Achtien, der Holländer mit der Elvis-Tolle und der Drei-Sterne-Vergangenheit in Jonnie Boers «De Librije» in Zwolle, hat seit seinem Start 2018 in der Schweiz schnell Furore gemacht. Der GaultMillau erkannte im Restaurant Sens im Vitznauerhof bald ein «Supertalent», im aktuellen Guide ist Achtien mit 17 Punkten ausgezeichnet, vom «Michelin» gab es im vergangenen Jahr einen Stern.

 

Schluss mit Davos. Doch Hoteldirektor Raphael Herzog und sein neuer Küchenstar haben sich die Aufgabe zusätzlich erschwert: Für die Wintermonate zog der ganze «Vitznauerhof» jeweils in die Berge nach Davos, um im Waldhotel am Zauberberg ohne Pause weiterzumachen. Ende Wintersaison 2020 ist jetzt Schluss mit dem Hin und Her, die motivierte junge Crew wird sich zukünftig auf das Haus am Vierwaldstättersee beschränken, der Standort Davos wird aufgegeben. «Man kann nicht auf zwei Bühnen auf höchstem Niveau spielen», sagt der umsichtige Gastgeber Raphael Herzog, der mit einem jungen Team den «Vitznauerhof» zu einem Lifestyle-Hotel für alle gemacht hat. Herzog ist ehrlich wenn er sagt, dass rein betriebswirtschaftlich zwei Standorte lukrativer wären. «Wenn ich nur mit Excel-Tabellen arbeiten würde, müssten wir in Davos bleiben. Aber ich will meine Leute nicht verheizen und sehe auch ein Riesenpotenzial in Vitznau», sagt Herzog.

Jeroen Achtien

Die Zukunft liegt in Vitznau: Jeroen Achtien…

Raphael Herzog Vitznauerhof

… und Hoteldirektor Raphael Herzog.

Die Pläne für Vitznau. Auch für Küchenchef Achtien ist mehr Stabilität im Team wichtig. Der Umzug nach einer langen, intensiven Sommersaison in die Berge sei fordernd gewesen und für Mitarbeiter mit Familie schwer zu realisieren. In Zukunft werde das «Sens» in Vitznau von März bis Mitte Dezember in Betrieb sein, wobei man mit vier Öffnungstagen starte und während der Hauptsaison dann an sechs Tagen für die Gäste da sei. Die Sushi-Karte wird gestrichen, aber der sympathische Holländer hat neue Ideen: Von Mai bis September gibt es immer am ersten Sonntag im Monat ein lockeres Four-Hands-Dinner mit DJ und guten Kollegen: Auf Achtiens Einladungsliste stehen Fabian Fuchs, Silvio Germann, Christian Kuchler, Stefan Heilemann, Moses Ceylan und Sebastian Zier.

Krabbe, Kalbszunge, Innereienwurst. Dass Jeroen Achtien vor Kreativität fast platzt, zeigt sich zurzeit noch in Davos. Das aktuelle Menü ist ein Abschlussfeuerwerk aus Originalität, Technik und Geschmack. Da wird viel fermentiert, sphärisiert oder dehydriert. Laufend kommt ein Koch an den Tisch, platziert mal Specktranchen neben einer Kombination aus im Rauchspecköl konfiertem Kabeljau mit einer fantastischen Miso-Beurre-blanc und Blumenkohl oder überzieht zum Schluss ein Magnum-Eis mit Schokolade und Toppings. Ein Nordseekrabbensalat wird mit glasierter Kalbszunge, südamerikanischer Innereienwurst und einer Sphäre aus fermentiertem Rotkohlsaft und Krabbenbouillon zu einer abenteuerlichen Surf-‘n’-Turf-Variante. Doch was teilweise wild klingt, löst sich am Ende immer in gelungener geschmacklicher Harmonie auf, die Kreativität ist nicht bloss Selbstzweck sondern macht Sinn.

Potenzial für mehr. Jeroen Achtien fühlt sich wohl in der Schweiz – «ich bin hier sehr herzlich empfangen worden», sagt er – und der Abschied aus Davos kann auch als Zeichen gelesen werden, dass der talentierte Küchenchef bleiben will, und sich hohe Ziele gesetzt hat. Mit der Konzentration auf einen Standort und mehr Ruhe im System, lässt sich die Küchenleistung vermutlich noch einmal steigern und auf konstant hohem Niveau halten.

 

>> Jeroen Achtien kocht noch bis zum 8. März 2020 im Waldhotel Davos. Am 8. April beginnt die Saison 2020 im Vitznauerhof.