Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder
Das beste Restaurant Indiens. Manish Mehrotra gehört zu den profiliertesten Köchen Indiens und ist einer der aussergewöhnlichen Gast-Chefs am St. Moritz Gourmetfestival 2019, wo er im Hotel «Nira Alpina» seine neo-indische Küche präsentierte. Der 44-Jährige wurde vielfach mit Preisen ausgezeichnet und führt unter dem Label «Indian Accent» heute drei Lokale in Neu-Delhi, New York (seit 2016) und London (seit 2017). Auf der Liste der «Asia’s 50 best Restaurants» wird das «Indien Accent» auf Platz 19 geführt und ist damit das beste Restaurant Indiens. Mehrotra gilt als Erneuerer der indischen Küche oder anders gesagt: Er steht für eine zeitgemässe Küche mit indischem Akzent.
Manish Mehrotra, Sie haben die indische Küche neu definiert. Ich nehme an, das war kein einfacher Weg?
Es war sogar sehr schwierig. Die indische Küche ist sehr traditionell und sie zu modernisieren ist kompliziert. Dabei geht es nicht nur um Traditionen, auch die Küche selbst ist ziemlich komplex, es gibt sehr verschiedene Stile, Regionen etc. Kurz gesagt, einfach war es nicht, aber inzwischen sind die Leute glücklich damit, und die indische Küche ist auch bei den jungen Indern wieder angesagt.
Wie kamen Sie überhaupt darauf, dass die Küche Ihrer Heimat erneuert werden muss?
Ich habe überall in Asien gearbeitet und zum Beispiel für längere Zeit Thai-Food gekocht. Irgendwann kam ich nach London, und dort wurde mir klar, dass jede Küche sich ändert oder sogar ändern muss. Was mir wichtig ist: In meiner Küche bewahre ich die Authentizität der Aromen. Man schmeckt die Vielfalt des Landes, aber vielleicht ist die Zubereitung moderner, oder es gibt auch einmal Foie Gras zu einer Kürbis-Kokosnuss-Suppe mit knusprigen jungen Kichererbsen.
Wenn Europäer an indische Küche denken, kommt Ihnen in der Regel Curry in den Sinn…
Das ist ein grosses Missverständnis. Wir essen ja nicht nur grosse Schalen Curry und Naan-Brot dazu. Es gibt viele völlig verschiedene indische Saucen, und es gibt völlig unterschiedliche Küchen: Winter- und Sommerküche, eine königliche Küche, eine Küche zur Reinigung des Körpers, oder Wüsten-, Berg- und Küstenküchen…
Wie kommt es denn zu diesem Curry-Missverständnis?
Die indische Küche wurde in Europa via Grossbritannien bekannt. Viele Curry-Houses in England wurden von Köchen aus Bangladesch geführt, die eine den britischen Geschmacksgewohnheiten angepasste Würzung verwendet haben, die eigentlich nichts mit Indien zu tun hat. Das berühmteste indische Gericht in Europa ist ja Chicken Tikka Masala. Das gibt es bei uns gar nicht, das ist eine Erfindung aus Grossbritannien!
Welches ist denn Ihre Version der indischen Küche?
Ich kombiniere Gerichte aus allen Teilen Indiens. Dabei arbeite ich mit Gewürzen so, wie meine Mutter das getan hat. Sie wollte uns Kinder ja nicht quälen und hat darum nie besonders scharf gekocht. Und auch wenn ich verschiedenste Stile kombiniere, geht es mir immer darum, dass dies in Harmonie geschieht.
Wie würden Sie diese Geschmackswelt beschreiben für jemanden, der nicht gerade in einem Ihrer Restaurants sitzt?
Wir arbeiten mit vielen verschiedenen Gewürzen und Gewürzkombinationen. Teilweise machen wir unsere eigenen Mischungen, oder jemand stellt sich nur für uns her: Kardamom, schwarzer Pfeffer, Zimt. Eine einfache Tomatensauce zum Beispiel wird mit Zwiebeln, rotem Chili, Koriander, Kümmel und Kurkuma gewürzt.
Ist es eigentlich schwer, zu Hause indisch zu kochen?
Zuerst sollte man sich vor indischer Küche nicht fürchten. Es braucht dafür nicht hunderte von Gewürzen. Ein einfaches Kartoffelgericht kann aus grünen Chili- oder Korianderblättern, Kümmel und Salz bestehen. Auch die erwähnte Tomatensauce ist einfach zu machen. Und Sie brauchen keine Angst zu haben: Es wird danach nicht die ganze Wohnung nach Curry riechen (lacht)!
Sie führen drei Restaurants auf drei Kontinenten, wie macht man das?
Ich reise viermal pro Jahr nach London und New York, wir besprechen die Menüs und die Gerichte und dann sind die jeweiligen Küchenchefs für die Umsetzung verantwortlich. Das klappt problemlos.