Text: David Schnapp

Streifzug durch die Berge. Ein Besuch auf der Lenzerheide beginnt am besten mit einem Abend bei Hansjörg Ladurner im «Scalottas Terroir» (grosses Bild oben). Der gebürtige Südtiroler, der seit vielen Jahren auf der «Heide» lebt, bildet die abwechslungsreiche Natur der Region auf sehr ehrliche Art auf dem Teller ab. Seine Gerichte sind wie ein ausgedehnter Streifzug durch die Aromen und Gerüche dieser Alpenregion, dabei ist Ladurner gleichzeitig Koch, Imker, Bauer und Produktescout. Und der Aufwand, den er für den Anbau oder die Beschaffung seiner Zutaten betreibt, ist bewundernswert hoch. Die sauer-fruchtigen Apfel-Berberitzen im Dessert etwa sammelt der Chef selbst an einer geheimen Stelle in der Umgebung. 

Kartoffeln vom eigenen Acker. Und die Chips, die zu Beginn des Abends als Snack auf den Tisch gestellt werden, sind aus verschiedenen Bergkartoffeln frittiert, die auf dem eigenen Acker des Restaurants in Lain wachsen, und jeweils im Herbst vom ganzen Team aus der Erde geholt werden. Zusammen mit seinem Sous-Chef René Bissig – die beiden arbeiten seit 17 Jahren schweigsam Seite an Seite! – und dem gut gelaunten Duo Andre Dotter und Dominik Klasen im Service bietet Ladurner seinen Gästen in einer freundlich-heimeligen Atmosphäre ein unvergleichliches kulinarisches Ergebnis.

Restaurant Scalottas Terroir mit Hansjörg Ladurner

Unvergleichliches Erlebnis: Küchenchef Hansjörg Ladurner im «Scalottas Terroir».

Lenzerheide-Report2022

Signature Dish: Bündnerfleisch-Tatar mit Dörrbirnen-Brioche und Gurken.

Einzigartige Geschmackswelt. Die Absichten in diesem Restaurant (16 Punkte), das zum gut geführten, traditionsreichen Vier-Sterne-Hotel Schweizerhof gehört, liegen dabei weniger in einer hochpräzisen Pinzettenpräsentation auf dem Teller. Es geht vielmehr darum, eine einzigartige Geschmackswelt zu erschaffen, die auf dem umsichtigen Umgang mit Produkten der Region beruht. Zum Tatar aus Bündnerfleisch, das Ladurner bei seinem alten Freund Jörg Brügger aus Parpan bezieht, gibt es eingelegte Gurken, und aus dem Gurkenwasser wird ein Gel. «So verwenden wir das ganze Gurkenglas», sagt Hansjörg Ladurner. Gleichzeitig deckt das schlichte Gericht ein grosses Aromenspektrum ab – salzig, süss, scharf und sauer schmeckt das Tatar, am Gaumen breitet sich ausserdem Umami-Wohlgefühl aus.

Salvatore Frequente Guarda Val

Neue Heimat: Chef Salvatore Frequente im Maiensäss-Hotel Guarda Val in Sporz.

Drei Chefs, je 16 Punkte. Kulinarisch ist Hansjörg Ladurner durch seinen einzigartigen regionalen Stil so etwas wie der «König der Heide», aber insbesondere seine beiden Kollegen Salvatore Frequente im Maiensäss-Refugium Guarda Val in Sporz (16 Punkte) sowie Dominique Schrotter im Restaurant La Riva (16 Punkte, ein Stern) bieten auf klassischere Fine-Dining-Art ebenfalls kulinarisches Hochvergnügen. Der gebürtige Sizilianer und erfahrene Küchenchef Frequente kocht mit besten saisonalen Produkten und nutzt die Elemente – etwa Feuer – gekonnt bei der Zubereitung seiner Gerichte im Gourmetrestaurant. Mit Nicola Sassone steht ein neuer erfahrener Gastgeber an der Front des Gourmetrestaurants und Frequente bietet jetzt drei Menüs an: Sein eigenes Menü Tradition, das Menü Innovation von Sous-Chef Emanuele und eine vegetarische Variante.

Lenzerheide-Report2022

Beliebtes Ausflugsziel: das «Crap Naros» im Hotel Guarda Val in Sproz.

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Lostallo-Lachs und Lamm-Racks: «Fö – Feuer-Küche» in der Beiz Crap Naros.

Neue Herausforderung. Nach vielen Jahren im Hotel Eden Roc in Ascona und zuletzt im «Giardino» in Ascona und St. Moritz gefällt Salvatore Frequente die neue Herausforderung am Berg und die Nähe zur Natur im «Guarda Val»: «Wir sind jeden Tag ausgebucht; das ist zwar streng, aber auch sehr befriedigend», sagt er während eines kurzen Rundgangs. Bei seinem Kollegen Andrea Bergomi schaut er kurz an der Feuerstelle vorbei. Bergomi ist Küchenchef im «Crap Naros», der zum Resort gehörenden Bündner Beiz. Auf der Karte stehen Klassiker wie Capuns (mit Fleisch, vegetarisch oder vegan), Gerstensuppe oder Cordon Bleu. Ausserdem wir draussen gekocht, Andrea Bergomi legt selbst Holz nach, grilliert einen ganzen, in Tannenzweige verpackten Lostallo-Lachs und Lamm-Racks oder kocht im Kessel eine Poulet-Trüffel-Suppe.

Der einzige mit Stern. Der einzige Koch auf der Lenzerheide mit ausgezeichneter Note UND Michelin-Stern ist der 38-jährige Dominique Schrotter, der in einer Gastronomenfamilie in Zürich aufgewachsen ist und unter anderem schon in Bangkok, Australien oder in einem Golf Club gearbeitet hat. Nachdem er 2012 an der Sommerolympiade 2012 in London gekocht und danach einen Stage bei Heston Blumenthal absolviert hatte, ist Schrotter seit Ende 2012 Küchenchef im «La Riva» beim Heidsee und kombiniert hier Luxusprodukte wie den schmelzig-fettigen Bauch vom Balfego-Thunfisch mit asiatischen Aromenspitzen wie Kimchi oder serviert eine aussergewöhnliche Ramen-Suppe mit zartem Luzerner Schweinebauch, Pak Choi, Kürbis und Zwiebel. Schrotter macht aus dem japanischen Arbeiter-Essen durch die Mittel des Kochhandwerks ein Weltklasse-Gericht: Kombiniert werden Wildgeflügel-, Geflügel- und Rinderfond zu einer samtenen, braun-goldenen Consommé von schier unendlicher Tiefe.

Dominique Schrotter

«Immer noch hochmotiviert»: Küchenchef Dominique Schrotter.

Restaurant La Riva Lenzerheide

Arvenholz und Eleganz: das Restaurant Riva beim Heidsee.

«Vollgas.» «Ich bin nach zehn Jahren hier immer noch hochmotiviert», sagt Dominique Schrotter. Er wolle mit seinem Team weiterhin «Vollgas» geben, so der jugendlich wirkende Koch mit einer erstaunlichen Geschichte: Mit erst 28 Jahren wurde er auf der Lenzerheide ohne breite Führungserfahrung Küchenchef und hat sich hier mit viel Einsatz und Durchhaltewille behaupten können. Im Gastraum mit Arvenholz-Gemütlichkeit hat das «La Riva» auf diese Saison hin prominente Verstärkung erhalten: Mit Restaurantleiter und Sommelier Johannes Ammon sowie Sophie Thun arbeiten da zwei Top-Leute, die beide auf Schloss Schauenstein bei Andreas Caminada geschult wurden.

Baked Potato & Pizza. Seit die Geschwister Sergio und Bianca Andreatta die Motta-Hütte auf 2600 Metern über der Lenzerheide verlassen haben, ist die (Ski-)Region um eine gastronomische Attraktion ärmer. Für das einfacherer Tisch-Vergnügen empfehlen lokale Szene-Kenner dafür das gutbürgerliche «La Patata», wo passenderweise Baked Potatos als Hauptgericht oder Beilage auf der Karte stehen, aber vor allem Fleischstücke wie der Gentleman’s Cut vom Rinderfilet («s’Gröschta in Town») oder Kalbskotelettes angeboten werden. Für eine gute Pizza aus dem Steinofen geht man immer noch in die Pizzeria im Kurhaus, und im frisch renovierten Valbella Resort wird «eine frische moderne Bergküche mit internationalen Einflüssen» serviert.

>> https://scalottas-terroir.ch
>> https://www.guardaval.ch/de/
>> https://lariva.ch

 

Fotos: Marcus Gyger, David Schnapp, Nicole Trucksess, HO