Text: Urs Heller Fotos: Philipp Rohner, Patricia Heller
Molteni-Herd, Molteni-Grill! Beides hätten wir im kleinen Dorf Morissen (239 Einwohner) nicht erwartet. Einen luxuriösen, aber nicht versnobten Countryclub. Und einen «Molteni»-Herd in der grossen Küche. Molteni ist der Rolls Royce unter den Herden («France, 1923»), ein grandioses Monster, mit Dutzenden von kleinen, polierten Messingknöpfen und Reglern. Die glücklichen Besitzer pützeln ihn, streicheln ihn, bezeichnen ihn auch schon mal als ihr «Piano». Reto Lampart hat sich gleich noch einen mächtigen Molteni-Grill («Rôtissoire») geleistet, mit Brennern, Ketten und Tablaren. Am Spiess dreht für anderthalb Stunden eine Bresse-Poularde der Familie Jean-Claude Miéral. Der Zürcher «Vogelhändler» Fredy von Escher hat das Prachtsexemplar beschafft. Chef Lampart gibt jedem Vogel einen Namen: Unser Exemplar hiess «Betli».
Willkommen im Patrizierhaus. Fast zwanzig Jahre waren Anni und Reto Lampart Gastgeber in Hägendorf SO. Sehr erfolgreich (17 Punkte), sehr geschätzt auch als Ausbildner. Dann war Ausstieg angesagt und Weltreise. Covid kam dazwischen. Deshalb endete die Weltreise im idyllischen Val Lumnezia, zweieinhalb Stunden von Zürich entfernt. Die Lamparts haben im Dörfchen Morissen ein Patrizierhaus, Baujahr 1879, übernommen und zusammen mit Besitzer Simon Osterwalder mit viel Liebe und Stil, mit sanften Farben und angenehmen Licht renoviert. Jurist Osterwalder ist Partner in der Kanzlei Bratschi, bestritt in seiner «Jugend» 36 Länderspiele als Torhüter der Schweizer Handball-Nationalmannschaft.
For Members only. Für fünf Members only. Lampart und Bratschi setzen ein für die Schweiz eher neues Konzept um: Privatclub. For members only. Für fünf Members auf einmal um genau zu sein, denn im Haus gibt es nur fünf Suiten. Die Mitgliedschaft kostet 5000 CHF. Jeder einzelne Franken kann man «abschlafen, abessen und abtrinken». Billig ist eine Nacht in Morissen nicht. Aber die Mitglieder werden rund um die Uhr verwöhnt: Tolles Frühstück (Käse- und Fleischspezialitäten, hervorragender Honig, selbstgebackenes Brot), leichter Lunch, 17 Punkte-Küche zum Znacht. Am Nachmittag ist ein Kuchenbuffet aufgebaut, und im wohnlichen Salon («en Soie»-Vasen und Schalen im Dutzend) kommt schon mal Servicemitarbeiterin Véronique vorbei: «Ich hätte gerade eine Flasche Champagner in der Hand…».
Lumnezia-Saibling & Albula-Kartoffeln. Abends spielt Reto Lampart seine ganze Klasse und Erfahrung aus. Vorzugsweise mit Produkten aus der Region. Die berühmten Albula-Kartoffeln haben gleich zwei Auftritte, den Saibling bringt Köchin Sarah Capeder aus der Zucht von Ehemann Curdin gleich selber mit. Die Capeders beliefern die Stars: Andreas Caminada, Sven Wassmer, Mitja Birlo und jetzt auch Reto Lampart. Weitere Highlights: Der auf einen Cracker reduzierte «Caesar’s Salad», Scampi (Kaliber 3/6!) aus Südafrika. Rochenflügel an rassiger Beurre blanc (Kapern!). Selbstgemachte Ochsenschwanz-Ravioli mit Périgord-Trüffeln. Den «Güggel» gibt es zweimal: Die Brust klassisch, den Schenkel orientalisch.
Und überall wirbelt Anni. Die wichtigste Frau im Haus? Anni Lampart. Sie wirbelt an allen Fronten. Backt Brot und Brötchen. Kümmert sich ums Zitrusfrüchte-Dessert, den Schlorzifladen zum Bergkäse und um die Pralinen. Ist zuständig für die fachkundige, unaufdringliche Weinbegleitung. Die Lamparts ganz cool: «Wir sind hier die Küchenchefs, Pâtissiers, Sommeliers, Bartenders, Housekeepers, Sauna-Aufgiesser, Hot Pot-Einheizer und Schneeräumer.» Ein junges Team, vorwiegend Mitarbeiter aus der Region, unterstützen sie dabei. Der Start ist geglückt: 75 Members nach nur einem Monat, glückliche Gäste. Glückliche Gastgeber auch.