Text: David Schnapp | Fotos: Lukas Lienhard, Mads Kjaer Jarlfeldt


Nenad auf dem Posten. Mit kurzem T-Shirt, schwarzer Schürze und zusammengebundenen Haaren steht Nenad Mlinarevic in der geräumigen Küche der Wirtschaft zum Neumarkt im Zürcher Niederdorf und richtet erst Salat und später Desserts an. Zusammen mit Geschäftspartner Valentin Diem hat der Zürcher Starchef letzte Woche das jüngste Projekt der beiden erfolgreichen Gastronomen gestartet und ist unter die Beizer gegangen. «Im Moment koche ich meinen Posten», sagt er. Das sei wichtig, um die eigenen Abläufe zu überprüfen und zu wissen, was man von seinen Leuten erwarten könne.

Neumarkt Tisch

Liebe zum Detail: Tisch in der Wirtschaft zum Neumarkt.

Neumarkt Zürich aussen

Zürcher Klassiker: Der «Neumarkt» im Niederdorf.

Neumarkt innen

Moderne Beiz: das sanft renovierte Lokal.

«Ein gutes Voressen ist nicht banal.» Nach der «Bauernschänke» und dem Gemüserestaurant «Neue Taverne», die Diem und Mlinarevic bereits betreiben, kommt mit dem «Neumarkt» ein Zürcher Klassiker hinzu: ein Lokal mit Geschichte – und mit dem für viele schönsten Garten der Stadt. Dass er jetzt eine Schweinsbratwurst mit Zwiebelsauce, Rösti und Weisskohl serviert, ist für Mlinarevic kein Verlust an kulinarischer Ehre: «Ich koche gern einfach, und ein gutes Voressen zu zuzubereiten, ist eben nicht banal. Wir machen alles von Grund auf selbst, für unsere Bratwurst haben wir mit dem Metzger die Mischung abgestimmt und der Salat bekommt bereits viel Lob, weil er halt mit Liebe und Sorgfalt zubereitet ist: Die Salatblätter werden frisch gewaschen, die Radieschen fein gehobelt, es gibt ein Hausdressing und eine selbst gemachte Nussmischung als Topping», sagt der Koch.

Neumarkt Salat

«Mit Liebe und Sorgfalt zubereitet»: der Neumarkt-Salat mit Radieschen, Hausdressing und Nussmischung.

Das perfekte System. Dass Nenad Mlinarevic zu den herausragenden Chefs seiner Generation gehört, zeigt sich gerade daran, wie er dem Salat in seiner neuen Beiz die gleiche Aufmerksamkeit widmen kann wie dem berühmten Gemüseteller mit bis zu 30 verschiedenen und verschiedenen zubereiteten Gemüsesorten, den er als Koch des Jahres 2016 im «Focus» im Park Hotel Vitznau serviert hat, als er mit 18 Punkten und zwei Sternen ausgezeichnet war. Weil er Spitzenbewertungen bereits hatte, seien ihm heute andere Dinge wichtiger: Zum Beispiel die Frage, wie man ein nahtlos funktionierendes System kreieren kann, um ein Restaurant wie den Neumarkt effizient betreiben zu können.

Zurück zu den Anfängen. «Wir rezeptieren hier alles genau, jede Gewürzmischung, jeden Jus, jede Zubereitung. Freestyle-Kochen funktioniert bei dieser Grösse nicht mehr», sagt Nenad. Dafür hat sich der Koch an seine Anfänge erinnert: «Eigentlich kochen wir hier wieder wie in meiner Lehre. Im ‹Dolder› haben wir damals auch 100 Essen pro Mittag zubereitet und unser Mistkratzerli bereiten wir heute genauso zu, wie ich es damals gelernt habe: Das Poulet wird aufgeklappt, gewürzt und bei 190 Grad 25 Minuten im Ofen gebacken», erklärt der Gastrounternehmer und Koch. Selbstverständlich hat er Zeit und Temperatur davor so lange getestet, bis das Ergebnis perfekt war. Währenddessen ist einer seiner Mitarbeiter daran, Tests mit Rösti zu machen. Ein halbes Dutzend Kartoffelkuchen brät in kleinen Pfannen, um das ideale Timing für die Zubereitung zu finden. Bei unseren beiden Besuchen im «Neumarkt» war es bloss die Rösti, welche noch nicht dem Niveau entsprochen hat, das man sich von Nenad Mlinarevic gewohnt ist.

Topinambur Neumarkt

Überraschend: Topinambur mit Albeli-Rogen, Sbrinz-Creme und Dill.

Nenad Neumarkt

«Ich koche gern einfach»: Nenad richtet die Bratwurst mit Rösti an.

Bergackerbohnen Neumarkt

Regional und saisonal: Berackerbohnen-Falafel mit Kürbis und Sauerrahm.

Durchdacht, würzig, gut gekocht. Die geschmorten Kalbsbacken hingegen, die mit tiefem Jus, kerniger Bramata und süssem Gemüse-Soffritto angerichtet werden; die als knusprige Falafel servierten Bergackerbohnen mit rohem Kürbis und Sauerrahm; das leicht scharf gewürzte Rindertatar mit Topinambur und Steinpilz-Espuma oder die überraschende Kombination aus konfiertem Topinambur mit Albeli-Rogen, Sbrinzcreme und Dill sind schlicht hervorragende Beizen-Gerichte im typischen Nenad-Stil: durchdacht, würzig und gut gekocht. Mit dem dritten Restaurant in Zürich beweist Mlinarevic sein ausgezeichnetes Gespür für unterschiedliche kulinarische Konzepte und bringt letztlich in einfachen Gerichten zusammen, was er an den unterschiedlichsten Stationen seiner Karriere gelernt hat. Das beginnt beim präzisen Blick für Details auf dem Teller und geht letztlich bis zur Qualitätssicherung bei mehreren Seatings mit deutlich mehr als hundert Gästen pro Abend.

 

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