Text: David Schnapp Fotos: HO

«Kultur, Kulinarik, Event». Ivo Adam humpelt leicht, als wir uns an einem kalten Morgen Mitten in Bern treffen. «Ich habe mir beim Trampolin-Springen mit meinem Sohn einen Muskelfaserriss zugezogen», erzählt er freimütig. Rechts liegt das Bellevue, geradeaus fliesst tief unten im Flussbecken die Aare und links ist die wohl prestigeträchtigste Baustelle der Bundesstadt zu sehen: Die Burgergemeinde investiert 74 Millionen Franken in die Rennovation des Casinos. «Kultur, Kulinarik, Event» wird es dort ab September 2019 geben, so steht es auf den Plakaten, die am Bauzaun hängen.

 

Der alte Glanz. Wir betreten das Gebäude über staubigen Beton, zwischendurch führt der Weg in den nächsten Raum über ein Brett und überall wird gefräst, gebohrt oder gehämmert. Hoch oben hängen Arbeiter an Säulen und stellen in mühevoller Kleinarbeit den Glanz der alten Stuckaturen wieder her. Zum Casino gehört ein prachtvoller Konzertsaal mit Orgel, Übungsräume für Musiker, Seminarräume und vieles mehr.

Küchenchef Adrian Bürki

Einer von drei Küchenchefs: Adrian Bürki wird das grosse Restaurant im Casino übernehmen.

Das gastronomische Angebot. Ivo Adams Herzstück liegt im Erdgeschoss, wo grosse Fenster Richtung Aare weisen, und wo uns der management-erprobte Spitzenkoch mit auslandenden Handbewegungen anzeigt, wie in nicht allzu ferner Zukunft das gastronomische Angebot aussehen soll: «Gleich beim Eingang gibt es einen Bereich, der morgens als Café, mittags als Lounge und abends als Bar genutzt wird», erklärt der 41-Jährige, der neben der Baustelle in Bern zurzeit auch noch das «After Seven» in Zermatt betreut. Zusammen mit Küchenchef Florian Neubauer wird das Lokal mit 2 Sternen und 17 Punkten bewertet.

 

Drei neue Chefs. Für das ganze kulinarische Angebot im Casino hat Adam drei Chefs engagiert: den ehemaligen «Eisblume»-Koch Dave Morales Wälti, seinen langjährigen Weggefährten Adrian Bürki (bisher «Guarda Val», Lenzerheide) sowie als Küchendirektor Florian Bettschen, der vom «Seepark» Thun eingewechselt wird. Bürki ist für das grosse Restaurant mit einer mediterranen-französischen Küche verantwortlich. Die Gäste können durch eine riesige Glasscheibe den Köchen bei der Arbeit zusehen – «vergleichbar mit dem ‹The Jane› von Sergio Herman in Antwerpen», sagt Adam. Ob er selbst auch eine aktive Rolle in der Küche spielt? Sicher nicht mit einer Haube, aber die kulinarische Richtung wird vom Chef vorgegeben.

Küchenchef Dave Wälti

Kocht hinter der Theke: Dave Wälti.

Küchendirektor Florian Betschen

Der neue Küchendirektor: Florian Betschen.

Wälti hinter der Theke. Auch Dave Wälti hat einen besonderen Auftritt. Der kreative Berner mit bolivianischen Wurzeln wird für ein Theken-Restaurant mit einer modern-regionalen Ausrichtung verantwortlich sein, das sich mitten in dem riesigen Gastronomie-Raum befindet. Die Gäste sitzen an einer langen Bar in der fliessenden Form der Aare, während vor ihnen gekocht wird. «Aber anders als etwa in den Ateliers von Robuchon, passiert hier wirklich alles vor dem Gast», erzählt Ivo Adam. Dieses kulinarische Theater wird ziemlich sicher für Furore sorgen.

 

Eigene Convenience-Produkte. Wir tauchen in den Unterbau des Komplexes, wo Vorbereitungsküche, Pâtisserie, Bäckerei und Chocolaterie vorgesehen sind. «Wir machen hier alles selbst, das sind gewissermassen unsere eigenen Convenience-Produkte: alle Teige, Bouillons, Fonds entstehen im Haus», erklärt Adam. 30 Köche werden ab dem September hier arbeiten. Und das Ziel des umtriebigen Ivo Adam, der im Casino die Funktion des Direktors und des Vorsitzenden der Geschäftsleitung ausübt? «Ich möchte, dass wir ganze Tiere einkaufen und komplett verwerten – vom Fisch bis zum Rind. Und im Idealfall mieten wir im Seeland ein eigenes Feld, wo unser Gemüse angebaut wird.» Das Casino Bern wird ein eigenes kulinarisches Universum, so sieht es heute aus.

 

Ivo Adams Träume. Nach Ivo Adam soll das Casino kulinarisch zu den wichtigsten Adressen Berns aufsteigen, im besten Falle sogar der Schweiz. Auf der Dachterrasse angekommen, macht Adam wieder eine ausladende Handbewegung, wo dereinst Hochbeete installiert werden. «Unser eigener Gärtner wird hier zwar kein Gemüse, aber immerhin Kräuter und Blüten anbauen, aus denen wir dann zum Beispiel Essenzen gewinnen, die für den Barbetrieb genutzt werden können», sagt er. Das Casino Bern ist heute zwar noch eine grosse Baustelle, könnte sich aber schon in wenigen Monaten als interessantestes kulinarisches Projekt im Land erweisen. Dann, wenn Ivo Adam und seine Küchenchefs diese Konzepte hier verwirklichen konnten.