Text: David Schnapp Fotos: Vera Hartmann/13 Photo, HO

Leicht und tief. Seit einiger Zeit darf die Dashi auf keinem modernen Menü mehr fehlen, meist jüngere Spitzenköche giessen sie in allen möglichen Varianten in die Teller oder ergänzen ihre Saucen damit. Rolf Fliegauf (Ecco, Ascona) sagt, er arbeite deshalb gerne mit Dashi, weil sie leichter wirke als herkömmliche Saucen und durch ihr konzentriertes Umami den Gerichten aber trotzdem Tiefe gebe. «Umami gibt einem Gericht eine besondere Kraft. In Kombination mit Zitrus-Aromen wird der Geschmack gleichzeitig tief und leicht», findet Fliegauf.

 

Herz Japans. Die Dashi ist der Kern der japanischen Küche, jede Hausfrau macht ihre eigene Dashi. Die klare Brühe besteht aus nur 3 Zutaten: Wasser, getrocknete Kombualgen und fein gehobelte Scheiben vom fermentierten, getrockneten Bonitofisch (Katsuobushi), einer Thunfischart. Der Dashi, dem kulinarischen Herz Japans, kommt höchste Aufmerksamkeit zu, alles ist bei der Zubereitung wichtig, die Weichheit des Wassers, die Herkunft der Algen und die kurze Zeit, in der die Fischflocken in der Brühe ziehen – sie wird am besten mit der Stoppuhr gemessen.

Dashi und Tomatenessenz. Ein grosser Dashi-Fan ist «Focus»-Chef Patrick Mahler (im Park Hotel Vitznau), «ich setze Dashi seit einigen Jahren als Würzelement ein, weil sie sich zu fast allen Lebensmitteln harmonisch verhält», erklärt der talentierte Aargauer. Hergestellt werde die Grundbrühe ganz klassisch: Kombualgen ziehen im heissen Wasser – das ja nicht kochen darf! – zum Schluss wird der Katsuobushi kurz dazugegeben. Mahler serviert die Dashi immer mit anderen Essenzen oder macht einen zweiten Aufguss, um den Geschmack zu intensivieren. «Zurzeit sind wir gerade an einem Gericht, für das wir die Dashi mit einer klaren Tomatenessenz mischen und dann mit Zitronengras, Limeblatt oder Fenchelsamen nochmals ziehen lassen», erzählt er.

Patrick Mahler

Patrick Mahler: «Dashi passt zu fast allem.»

Fliegauf

Rolf Fliegauf: «Umami gibt dem Gericht eine besondere Kraft.»

Wassmers Alpen-Umami. Sven Wassmer, der sich gerade auf die grosse Neueröffnung in Bad Ragaz vorbereitet, hat das Dashi-Prinzip auf seine alpine Produktewelt übertragen, welche die Grundlage seiner Küche bildet. Aus gerösteten Schalen von Bergkartoffeln und Bündner Trockenfleisch gewinnt er eine «Alpen-Dashi», wie Wassmer sie nennt. «Früher habe ich mit dem klassischen Dashirezept gearbeitet – mit Kombu, Katsuobushi und Quellwasser. Das weiche Wasser ist neben dem Einhalten der Temperaturen entscheidend für die Qualität», so Wassmer. Irgendwann schien es ihm zu wenig zielführend zu sein, aus importierten Grundprodukte eine Brühe zu gewinnen.

 

«Katsobushi» aus Parpan. Der talentierte Koch wollte einen Schritt weitergehen, und das Dashi-Prinzip für seine Produktewelt übersetzen. «Nach etwa drei Wochen Experimentierphase kam ich darauf, dass wir mit gerösteten Pilzen und Zwiebeln Umami in eine Brühe auf Basis von ebenfalls gerösteten Kartoffelschalen bekommen. Wie bei der Original-Dashi lasse ich die Zutaten unter dem Siedepunkt im Wasser ziehen, dann wird die Brühe abgeseiht, leicht reduziert und zum Schluss kommt das luftgetrocknete Fleisch aus Parpan dazu – unser alpines Katsuobushi sozusagen», erklärt Wassmer. Das Resultat sei nicht vergleichbar mit einer japanischen Dashi sondern habe eine ganz eigene Qualität.

Sven Wassmer

Sven Wassmer: «Getrocknetes Fleisch ist unser Katsobushi.»

Marcus G. Lindner

Marcus G. Lindner: «Natürliches Glutamin ist gesund.»

«Wärmendes Element.» Anders als etwa Patrick Mahler setzt Wassmer seine Alpen-Dashi als sichtbare Brühe ein, «als wärmendes Element im Menü», wie er sagt – zum Beispiel mit «Bündner Dim Sum», gefüllt mit Dörrbirnenpaste (grosses Bild oben). Das Gericht erschien in früheren Menüs von Wassmer, für sein neues Restaurant im Grand Resort Bad Ragaz tüftelt der Aargauer Starchef zurzeit an neuen Dashi-Varianten und Umami-Quellen.

 

«Hirn einschalten.» Marcus G. Lindner, der seit vielen Jahren zur Schweizer Kochspitze zählt, hatte seine erste Dashi-Begegnung vor «fünfzehn, zwanzig Jahren». Aber erst während seiner Zeit im Alpina Gstaad und in Zusammenarbeit mit japanischen Köchen, habe er gesehen, was eine Dashi wirklich ausmache. «Da musste ich einiges korrigieren», sagt er heute. Lindner sieht das japanische Umami-Elixier als wertvolle Ergänzung einer «weltoffenen Küche» an, findet es aber gleichzeitig wichtig, die eigenen Wurzeln nicht zu vergessen. «Hirn einschalten beim Kochen», lautet seine einfache Regel.

Gezielter Einsatz. «Ein Gemüse- oder Geflügelfond sei nicht weniger gut als eine Dashi», findet Lindner. Der Unterschied sei vielleicht, dass die Dashi in Japan geradezu zelebriert werde, während ein Fond in der europäischen Küche als schlichter Arbeitsprozess angesehen werde. Lindner, der heute im «Le Grand Bellevue» in Gstaad kocht, spricht sich für einen gezielten Dashi-Einsatz aus. «Ich kombiniere Dashi gerne zu Gemüse oder weissem Fisch. Wir setzen sie klassisch mit Bonito und Kombu an, für eine vegetarische Brühe ersetzen wir den Fisch durch Shitakepilze», erklärt er. Mit etwas Koriander und Ingwer könne der Geschmack noch verstärkt werden. Linder nimmt es genau, unterscheidet zwischen den verschiedenen Stufen einer Dashi, die wie Fonds und Jus in der französischen Küche unterschiedliche Intensitäten und Namen haben. Er verwende nur den ersten, leichten Dashi-Ansatz, so Lindner.

 

Gänseleber und Dashi. Die Beliebtheit der Kult-Brühe erklärt Marcus Lindner mit dem Wunsch nach einer gesunden leichten Küche. «Die natürliche Glutaminsäure, das so genannte Umami, ist wichtig als Eiweissbaustein für unseren Körper. Natürliches Glutamin ist gesund, während chemisch hergestellter Geschmacksverstärker uns nicht gut tut», sagt der Voralberger. Umami möchte Lindner dennoch nicht in jedem Gericht seines Menüs in den Vordergrund stellen. «Aber wenn ich zum Beispiel eine Gänseleber auf japanisch-leichte Art darstellen möchte, kombiniere ich sie mit Pak Choi, Sojagel, japanischem Omelett und einem Dashi-Sud, der mit Sojabohnenpaste leicht gebunden wird», sagt Lindner.

 

Gesundes Mass. Ihm sei Ehrlichkeit beim Kochen wichtig. Ein japanisch inspiriertes Gericht habe seinen Platz, daneben müsse eine geschmorte Kalbsbacke ihren Wert behalten: «Wir haben in unserer Küche auch eine Verpflichtung gegenüber unserer kulinarischen Tradition», sagt Lindner und findet so ein gesundes Mass für die um sich greifende Dashi-Mania.