Text: Knut Schwander I Fotos: Régis Colombo, Olivier Villard

So war es vor 160 Jahren. Das «Beau Rivage Palace» wurde 1861 in Lausanne-Ouchy eröffnet. Und was bei der Einweihungsfeier im funkelnden Palast den noblen Gästen aus Paris, London und St. Petersburg kredenzt wurde, ist genau dokumentiert. Ein Galadiner mit einem Dutzend Gänge, unter anderem Pastete à la Montglas (Schinken, Zunge, Trüffel), Steinbutt à la Hollandaise (Butter, Ei, Weisswein), Rindfleisch à la Bretonne (Eine Art Ragout), getrüffelter Truthahn und ein Pudding nach irischer Art (getrocknete Traubenbeeren, Whiskey, Bier, Ingwer). Und 160 Jahre später? Direktorin Nathalie Seiler-Hayez und ihre Starköchin Anne-Sophie Pic aus Valences beschlossen, das historische Menü nachzukochen. Nicht 1:1, sondern neu interpretiert, Madame Pic nahm die Herausforderung an. Auch Schweizer Winzer hatten bei der Gala im eleganten Swiss Deluxe Hotel ihren Auftritt. Zum «Wolfsbarsch Caviar 2.0» (nach einem Rezept von Anne-Sophies berühmtem Vater Jacques Pic» wurde ein «Ilex 2020» von Louis-Philippe Bovard serviert, zum Tomme vaudoise mit Absinthe, ein Bündner Blanc de Noir von Adank. Dieser Gang war eine zeitgemässe Interpretation der Variante 1861: geeister Käse mit Vanille. - Das Interview mit Anne-Sophie Pic. 

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Am Mikrofon unterstrich Anne-Sophie Pic ihre enge Beziehung zur Schweiz und ihre Freude, dieses Festmahl zu realisieren.

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Die Koch- und Servicebrigade des Beau-Rivage Palace und des Restaurants Anne-Sophie Pic.

Madame Pic, warum haben Sie nicht einfach das Original-Menu von 1861 nachgekocht?

Ich weiss nicht, ob man dies wirklich noch genauso kochen könnte. Die Techniken haben sich geändert, der Geschmack hat sich gewandelt. Interessant war für mich, eine Verbindung zwischen Einst und Jetzt herzustellen und auch die Gerichte zu integrieren, die mit meinem Leben verbunden sind.

 

Ist Neuinterpretieren lustiger, anregender? Oder eher einschränkend?

Eigentlich alle drei zugleich! Unsere «Maison Pic» in Valence besteht auch schon seit 130 Jahren, und so habe ich eine grosse Affinität zur Geschichte der verwendeten Zutaten und der Menschen, die hier wirkten. Ich versuchte daher, das Wesentliche des damaligen Menüs zu bewahren, aber es an den Geschmack unserer jetzigen Epoche und an die Saison anzupassen. Ich wollte der Vergangenheit den würdigen Respekt zollen und auch Elemente der damals üblichen Art von Service einbauen, wo man das Anrichten auf Teller noch nicht kannte.   
 

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Der Chausson à la truffe noire nach Art von André Pic, wiederbelebt von seiner Enkelin Anne-Sophie. 

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Köstliches Simmentaler Rind «terre et mer».

Was dachten Sie, als Sie dieses Menü von 1861 entdeckten?

Es erinnerte mich an die Gerichte meines Grossvaters, auch wenn sie nicht aus der genau gleichen Epoche stammen. Damals mischte man oft Fleisch und Fisch in einem Gang. Gleichzeitig erkennt man auch die Verbindung der europäischen Küche mit Einflüssen der Haute Cuisine aus Frankreich. So übernahm ich einzelne Elemente wie zum Beispiel die Hollandaise, die ich jedoch nicht mit dem Fisch servieren wollte.

 

Welches Gericht verbindet gestern und heute am deutlichsten?

Der Chausson mit Trüffel, der mir sehr viel bedeutet, weil mein Grossvater dieses Gericht in den 1930er Jahren kreiert hat. Eigentlich wollte ich es schon seit längerem wieder auf die Karte setzen, ohne es gross zu verändern. Das war jetzt der ideale Moment dazu. 
 

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Der Baba «in der Art eines Puddings» als heutige Version des Puding à l’Irlandaise (1861 mit einem d geschrieben!). 

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L’Esquimau de tomme vaudoise à l’Absinthe: Eine wahre Aromen-Bombe. 

Wird man diese Gerichte bald auf der Karte Ihrer Restaurants in Lausanne und Valence finden?

Ja, es war eine grosse Arbeit und ich möchte das Resultat gerne weiterverwenden. Sie sind zwar dem heutigen Geschmack angepasst, aber es sind und bleiben Festgerichte mit edlen Produkten, die den heutigen Tag überdauern sollen.