Text: Mirjam Fassold Fotos: Andrea Badrutt, HO
Austern auf 2516 Metern über Meer. Der kulinarische Genussgipfel der Surselva ist der Crap Masegn: Auf zweieinhalbtausend Meter über Meer «Das Elephant» eine atemberaubende Rundumsicht auf Bündner Gipfel und höchste Gaumenfreuden wie frische Austern (von höchster Qualität) und Meerfisch aus Wildfang. Wer’s lieber einheimisch mag, kommt bei Sascha Meyer mit Kalbskotelette & Co. auf seine Kosten. 14 GaultMillau-Punkte hat sich Meyer in dünner Höhenluft erkocht – doch er und seine Partnerin Yvonne Marx sind nicht nur am Berg ambitionierte Gastgeber, sie leisten im Winter ein Doppel-Pensum. Wenn die Patrouilleure in ihren orangen Jacken zur letzte Pistenkontrolle vom Gipfel abfahren, steht Meyer im Tal bereits am nächsten Herd – im Hauptlokal des Paares, der «Mulania» in Murschetg (neu 16 Punkte). Dort wird ganzjährig aufgekocht, unter anderem auch ein Klassiker aus Meyers Küche: gebratene Entenleber auf Speck- oder Zwiebelravioli. Ein Hingucker ist der Wein- und Käsekeller des Lokals. Weinfreaks sei ein Gespräch mit der Gastgeberin empfohlen, denn noch umfangreicher als die gedruckte Weinkarte ist die Auswahl an Trouvaillen, die Marx in den Kellern der umliegenden Häuser lagert.
Gourmet-Oase Flims. 88 GaultMillau-Punkte verteilen sich auf die Schneesport-Destination «Weisse Arena», wobei sich die unterschiedlichen touristischen Schwerpunkte von Laax und Flims auch in der Kulinarik wiederspiegeln. 30 Punkte für Laax – diese gehören Sascha Meyer –, 58 Punkte für Flims, wo vier Restaurants die Tester begeisterten. Kulinarischer Platzhirsch in Flims ist ein Niederländer: Ruud Willemsen dekliniert im «Nova» (Hotel Bellevue / 16 Punkte) pro Gang eine Zutat in unterschiedlichen Texturen und Aromen. Anders als in der sehr internationalen «Nova»-Küche kommt bei Sergio Leoni im «Cavigilli» nur Italienisches auf die Teller (14 Punkte). Der Chef beweist aber gern, dass zu Italien nicht nur das Meer, sondern auch die Alpen gehören. Im einzigen 5-Sterne-Haus der Region, dem «Waldhaus Flims Alpine Grand Hotel & Spa», setzt man ebenfalls auf gehobene Küche und im Restaurant «Epoca» (14 Punkte) auf einen Südtiroler Chef. Philip Lochmann hat sich in der Surselva rasch eingelebt und pflegt Kontakt zur Fidazer «Gourmet-Kräuterhexe» Angi Grand, die ihn mit lokalen Produkten aus dem Wald versorgt. Im zweiten Spezialitäten-Restaurant des Hauses, dem «Siam» wird fernöstlich gekocht: Daorung Seeneha tischt eine authentische Thai-Küche auf. Einen Geheimtipp haben wir in Flims noch: die «Chesa». Hier hat der frühere Executive Chef des «Waldhaus», Valère Braun, sein Reich. Der Elsässer beherrscht die klassische französische Küche und weiss sie mit den richtigen Weinen zu begleiten. «Chesa»-Events sind Extraklasse und rasch ausgebucht; auf das Hummer-Festival vom Dezember folgt das Austern-Festival (17.-19.1.20).
Raclette am offenen Feuer. Eine Legende in der Flimser Gastroszene ist der Walliser Ueli Grand, der «grand old man» am offenen Feuer. Oben am Berg brät Grand in «Ustria Startgels» das Fleisch persönlich, die Küche kommt frische Pasta am Laufmeter und der Weinkeller ist proppenvoll. Wer hier essen will, nimmt eine längere Anreise unter die Ski oder die Wanderschuhe – oder lässt sich abends im Pistenfahrzeug chauffieren. Schneller zum Tisch kommt man in Grands Zweitlokal «Grandis» in Laax: Im Herzen des Rocksresorts wird an 366 Tagen im Jahr (2020) Raclette am offenen Feuer geschmolzen bzw. Fleisch grilliert; in den Regalen der Vinothek lagern über 1000 trinkreife Weine.
Feuer & Fleisch. Ein paar Höhenmeter weiter schaut «Tegia Larnags»-Gastgeber Rainer Anders den Galloway-Rindern am Nachbarhof beim Wachsen zu. In einigen Monaten werden sie als Steaks oder Bratwurst bei ihm auf den Grill kommen. Dass er das Laaxer Bürgerrecht bekommen hat, verdankt der gebürtige Rheinländer wohl seinen hausgemachten Capuns, die auch Romanischsprachige loben. Feuer und Fleisch, in Laax eine beliebte Kombination: Im «La Vacca» auf Plaun sitzt man im riesigen Tipi auf Kuhfellen und geniesst argentinisch – Steaks, Folienkartoffeln und Knoblauchbrot und Wein, alles im Magnum-Format.
Nachhaltig und lokal geniessen auf der Piste. Die Weisse Arena setzt Trends; digital und nachhaltig (Stichwort «Greenstyle Foundation») ist man in Laax schon lange. Die Gastronomie setzt bewusst auf lokale Produkte, im Hinblick auf die laufende Saison hat die Weisse Arena Gruppe drei Lokale auf Graubünden umgepolt bzw. eines neue eröffnet. Aber zuerst zum Bewährten: Im «La Stalla» auf der Alp Nagens wird Käsefondue serviert, neuerdings aus Käse zubereitet, der im Sommer an Ort und Stelle hergestellt worden ist. Bündnerisch geht’s seit Weihnachten 2019 auch im unter einheimischer Leitung und mit neuem Konzept wiedereröffneten «Capalari» auf dem Crap Sogn Gion zu und her: Die nicht kleine Weinkarte umfasst ausschliesslich Bündner Tropfen, auf die Teller kommen Capuns und Pizzochels sowie hauchdünne Ravioli mit Ricotta, Birne, Speck und Wirz. Gespannt sein darf man auf das Pop-up-Restaurant «Tegia Curtgani»: An der Piste zwischen Crap Sogn Gion und Plaun wird Florian Engl regionales Slowfood und edle Bündner Weine auftischen – die bereits im Herbst eingekellerten Flaschen versprechen Hochgenuss im Gebirge.
Espresso wie in Italien. Hochgenuss in dickwandigen Espressotassen ist in Laax bereits seit 1997 zu finden. Damals installierte die Weisse Arena in einer Baracke auf Crap Sogn Gion den ersten Kaffee-Halbautomaten fürs «Caffè No Name». Reto Poltèra, als GL-Mitglied für Events zuständig und als Halbitaliener ein Caffè-Afficionado, tüftelte lange, bis Kaffeemischung und Mahlgrad perfekt waren. Inzwischen ist das Lokal gewachsen (die Panini sind die Gourmet-Variante von Sandwiches), der hier gebrühte Espresso längst Kult – und noch immer einen Einkehrschwung wert. Die letzte Zusatzschleife auf dem Weg von der Piste zurück in die Ferienwohnung (oder nach Hause) legen Schneesportler in Laax seit einigen Jahren im Rocksresort hin. Sie führt in Filiale der Bäckerei Romana, um einen Laib «urigs Brot» zu ergattern. Im Dezember 2019 hat Bäckermeister Aldo Buchli vergrössert und verleiht müden Sportler mit frischen Crêpes (süss und salzig) neue Kräfte.