Text: Stephan Thomas Fotos: Sylvan Müller, AT Verlag

Knochenarbeit. Es erinnert fast ein wenig an den Militärdienst. Wer Spargeln schneidet, darf keine Angst haben, sich mit Sand und Erde zu bekleckern. Und wenn man in einer Reihe mit den Ernteprofis steht, sollte man auch nicht trödeln. Immerhin schaffen wir zwei grosse Kisten in zwei Stunden. Der Spargelanbau von Schloss Reichenau funktioniert nicht wie anderswo. Wir sehen hier, wo Vorder- und Hinterrhein zusammenfliessen, nicht die typischen Sandwälle. Die Spargeln wachsen auf dem ebenen Boden in Tunnels aus schwarzer Plastikfolie. Entsprechend braucht es kein Spezialwerkzeug für die Ernte. Wir erhalten ein altes Küchenmesser in die Hand gedrückt. Das reicht vollauf. Natürlich sind die Spargeln hier 100% Bio. Sie erhalten Mist und etwas Naturdünger, sonst nichts.

Spargeln, von Tscharner, Reichenau

Knochenarbeit! Spargelstechen ist ein harter Job.

Spargeln auf Waage

Begehrte Spargeln aus Reichenau: Auf die Waage, zu den Chefs.

Spargeln, von Tscharner, Reichenau

Spargeln vom Schloss. Geerntet wird nur dreimal pro Woche. 

Der Kampf um die Spargel. «Unser Hauptgeschäft ist der Weinbau», erklärt Schlossherr Gian-Battista von Tscharner. «Wir können es uns nicht leisten, täglich zum Ernten in die Felder zu fahren. Beim herkömmlichen Spargelanbau ist dies unumgänglich. Sobald die Spitzen aus dem Sand stossen, muss der Spargel geerntet werden, sonst wird er grün. Unter der Folie passiert das nicht. Es reicht, wenn wir dreimal die Woche ernten.» Der Spargel unterscheidet sich auch von allem, was man sonst zu kaufen bekommt. Er ist weiss, die Spitze hat aber die Form von grünem Spargel. Eine Rarität, die sich die Feinschmecker aus den Händen reissen. «Wir könnten ein Vielfaches verkaufen. Die Spargeln sind für uns ein Lucky Punch, obwohl wir nicht das grosse Geld damit machen. Unsere Spargeln sind anders als alle anderen. Sie gehören zu den Sorten Gijnlim (früh reifend) und Baklim (spät reifend). Vor allem sind sie keine Spur bitter.»

 

Adliger Spargel. Kein Spargel dieser Welt wird in einem dermassen festlichen Rahmen verarbeitet und verpackt wie im Schloss Reichenau. Zurechtgeschnitten und gewaschen wird er in der riesigen historischen Schlossküche. Postfertig gemacht wird er von Juniorchef Johann-Baptista im Festsaal, wo man die wertvollen Teppiche mit Kunststoffbahnen geschützt hat. Besonders beliebt sind die Mixpakete mit Spargel, einer Flasche Pinot Blanc/Chardonnay vom Schloss und einer Packung Rohschinken vom Starproduzenten Jörg Brügger in Parpan. Wer sind dann die glücklichen Feinschmecker, die in den Genuss der Reichenauer Spargeln kommen? Zunächst erstaunlich viele Private. Sie können die reservierten Delikatessen in Selbstbedienung aus einem Kühlschrank neben dem Schlosstor entnehmen.

Johann-Baptista von Tscharner (Sohn) und Gian-Battista von Tscharner auf dem Feld

Sie arbeiten Hand in Hand, in den Reben und auf den Spargelfeldern: Johann-Baptista (l.) und Gian-Battista von Tscharner.

Schlossherr am Herd. Natürlich ist auch die Spitzengastronomie der näheren Umgebung längst auf die Reichenauer Spargeln aufmerksam geworden. Beispielsweise Reto Gadola in der Casa Alva in Trin (16 GaultMillau-Punkte). Auch Stars wie Sven Wassmer im Grand Resort Bad Ragaz/Restaurant Memories (18 Punkte) und Mitja Birlo im 7132 Silver Vals (18 Punkte) sind gute Kunden. «Sie verwenden die Spargeln oft zum Fermentieren. Das wäre nicht unsere bevorzugte Zubereitung, aber warum nicht?». Apropos Zubereitung: Aus Mangel an geeigneten Rezepten hat sich Tausendassa Gian-Battista schlicht selber zum Pröbeln an den Herd gestellt. Das Resultat: Mascarpone-Spargel, ein Gericht, das sich an Einfachheit kaum übertreffen lässt. Das Rezept findet sich auf der Homepage von Schloss Reichenau.

  

>> www.reichenau.ch