Interview: Isabel Notari | Fotos: Kurt Reichenbach

Komposition der Aromen. See Siang Wong, 41, begrüsst uns mit asiatischer Freundlichkeit – und spürbarer Vorfreude. Der bekannte klassische Pianist mit chinesischen Wurzeln, der in Holland aufwuchs und mit 18 Jahren in die Schweiz kam, freut sich auf den Kochtermin mit «al dente». Mit Leidenschaft steht der Foodblogger am Herd, auch schon war er fürs Schweizer Fernsehen, wo er die sechste Staffel der «Männerküche» gewonnen hat. Mit einem asiatischen Menü natürlich. Und asiatisch soll es auch für «al dente» sein. Homedishes aus seiner Heimat Singapur und ein Gericht aus Malaysia, wo sein Vater herstammt, will er zubereiten. See Siang Wong hat sich akribisch vorbereitet. In seiner offenen Küche der loftähnlichen Wohnung im Trendquartier Zürich-West steht das Mis en Place für die Gerichte parat. «Das ist sehr wichtig in der asiatischen Küche.» Sein Menü: Kürbisreis mit Pilzen (im Reiskocher zubereitet!), gedämpfter Wolfsbarsch auf eingelegtem Kohl, Schweinebauch, Seidentofu, Sauerpflaume, frittierter Ingwer und Koriander. Und ein Dessert aus erwärmter Milch, die, zu frisch gepresstem Ingwersaft in ein Töpfchen gegossen, etwas stehen gelassen wird und dann – ohne Zusätze – eindickt. Eine unscheinbare Geschmacksbombe! 
 

Kulinarisches Interview, See Siang Wong

Mittags im Trendquartier Zürich-West Der Fisch, ein Wolfsbarsch, den See Siang Wong für den Fotografen hinter dem Fenster seiner Wohnung hochhält, kommt gleich in den Backofen. 

See Siang Wong, Sie beherrschen die Klaviatur eines Konzertflügels und der Aromen. Gibts da für Sie Parallelen?
Sehr viele sogar. Klavierspielen und Kochen sind beides sinnliche Künste. Für die Musik braucht man das Gehör, für das Essen den Gaumen. Eine Partitur ist für mich wie ein Rezept, die Töne sind die Zutaten. Es ist doch vielsagend, dass auch Köche von Kompositionen sprechen. Die Ingredienzen bei einem Gericht sind die Substanzen der Musik. Die Noten, der Rhythmus, das Tempo. Auch etwas Scharfes, Salziges, Süsses hat mit Charakter zu tun. Und so wie ein Aroma entsteht, entsteht auch ein Klang.

Klavier spielen, kochen – was machen Sie lieber?
Klavierspielen ist meine Arbeit. Kochen hingegen ist für mich kein Pflichtprogramm, da kann ich abschalten und geniessen.  

Wo haben Sie denn kochen gelernt?
Meine Eltern haben in Holland ein chinesisch-indonesisches Restaurant geführt. Ich habe all die Düfte und Aromen schon als Kind eingesogen.

Die Technik auch?
Das erste Klavier, das mir meine Eltern schenkten, stand im Keller des Restaurants, da bekommt man viel mit vom Restaurant-Alltag. Allerdings habe ich nie aktiv mitgekocht. Erst als klar war, dass ich mit 18 Jahren in die Schweiz ziehe, hat mich meine Mutter in die Geheimnisse ihrer Kochkunst eingeführt und mir das Handwerk gezeigt. Sie wollte nicht, dass ich in die Welt hinausgehe, ohne chinesisch kochen zu können. Das so schwierig aber gar nicht ist – zumindest die Grundlagen der asiatischen Küche. Öl erhitzen, Ingwer, Zwiebeln, Knoblauch rein, dann die Zutaten, die etwas länger brauchen, dazugeben, Fisch oder Fleisch je nach Gericht separat anbraten, das lernt man schnell. Das Abschmecken, mit den vielen Gewürze hantieren – das hingegen ist was ganz anderes, das braucht Erfahrung und Können.

Kulinarisches Interview, See Siang Wong

Stillleben: Für See Siang Wong hat jeder Gegenstand eine Bedeutung.

Kulinarisches Interview, See Siang Wong

Im Kühlschrank nehmen vor allem Saucen wie Oyster, Fisch, Hoisin und Soja viel Platz ein.

Wann haben Sie sich das angeeignet?
So richtig Freude am Kochen bekam ich dann in der Schweiz, wo ich erst in einem Studentenheim wohnte und jeden Abend für Freunde gekocht habe. Das war eine Herausforderung, weil jeder jeweils andere Zutaten mitgebracht hat. Da lernte ich zu komponieren.

Sie waren der Chef?
Und wie! Mit jemand anderem kochen kann ich auch heute nur, wenn dieser wirklich viel davon versteht. Alles andere macht mich nervös.

Mal davon geträumt, Koch zu werden?
Meine Bewunderung für Köche ist riesig. Immer am Tag das Beste geben und bis spät abends in der Küche stehen. Stets der Kritik der Gäste ausgesetzt zu sein, beurteilt zu werden – das ist schon eine Challenge.

Aber Ihre Kunst als Pianist am Klavier ist doch auch eine Herausforderung?
Schon, deshalb koche ich ja so gerne. Spielerisch damit umgehen, improvisieren – ich finde das faszinierend, man macht etwas Kreatives wie beim Musizieren. 

Ihr Repertoire ist nicht nur als Pianist, sondern auch als Koch sehr gross. Welche Küche lieben Sie besonders?
In Asien sagen mir die malaysische, thailändische und japanische sehr zu. Ich mag aber auch die italienische und französische Küche. Ich bin sehr experimentierfreudig, koche und esse alles. Da bin ich sehr chinesisch!
 

Auch typische Schweizer Gerichte?
Ich lebe seit 22 Jahren in der Schweiz. Natürlich mag ich die Spezialitäten. Wie Sonntagsbraten und Kartoffelstock (mit Seeli!), die Bündner Nuss- oder Zuger Kirschtorte. Raclette, Fondue, Rösti und Geschnetzeltes bereite ich vor allem meinen asiatischen Freunden zu. Die wünschen sich das sehr gerne.

Sie haben viele Gäste?
Gerne und oft. Ich lade Leute auch spontan zum Essen ein. Auch da bin ich sehr asiatisch.

Sind Sie ein aufwendiger Koch?
Eher. Koche ich für Gäste, dann überlege ich recht viel und lange. Ich führe ein Gästebuch mit Fotos, wo ich jeweils nachschlagen kann, wer bei mir schon welches Menü gegessen hat. So will ich Wiederholungen vermeiden. Koche ich für mich selbst, kann es allerdings auch was sehr Simples sein. Ein Curry etwa.

Kochen Sie nach Rezepten?
In meinem Regal befinden sich über 800 Kochbücher. Aber kochen tu ich lieber aus dem Bauch heraus. Die Bücher dienen mir vor allem als Inspiration. Ich stehe mit ihnen auf – und gehe auch mit einem Kochbuch zu Bett. 

Kulinarisches Interview, See Siang Wong

Über 800 Kochbücher besitzt der Pianist. «Sie dienen als Inspiration.» 

Wo kaufen Sie die asiatischen Lebensmittel ein?
Sehr gerne bei New Asia Market in Zürich, das ist eine Art asiatischer Supermarkt, der viele Produkte für die vietnamesische und thailändische Küche hat. Und sie haben eine Riesenauswahl an frischem asiatischem Gemüse. Für die chinesische Küche poste ich in den Lian-Hua-Läden. Da gibts auch all die eingelegten Gemüse, die es für viele China-Klassiker braucht. Für die indische Küche ist Importas in Altstetten oder Aggarwal, ein kleiner Laden an der Kernstrasse in Zürich, perfekt. 

Welche Getränke passen zurasiatischen Küche?
Bier ist hervorragend, ein leichtes, helles, ganz normales. Auch Weissweine funktionieren sehr gut. Je nach Gericht und Schärfe darf es ein fruchtiger oder mineralischer Weisser sein. Bei der malaysischen und indonesischen Küche, die wegen der vielen Kräuter sehr intensiv sind, passt auch Rotwein. Und 
zur indischen Küche mit ihren schweren Gerichten darf es auch ein Rioja oder gar ein Burgunder sein.

In welchen Lokalen triff man Sie?
Habe mich durch die ganze Stadt gegessen (lacht). Aber ganz ehrlich, ich koche so gerne, dass es mir mehr Spass macht, in meinen eigenen vier Wänden in der Küche zu stehen. Dazu kommt, dass es in Zürich nicht so einfach ist wie in Holland, einen guten, authentischen Chinesen zu finden. 

Keine Lust, ein eigenes Restaurant zu eröffnen?
Wenn, dann eher so was wie ein Stuben-Lokal. Aber noch lieber würde ich ein Kochbuch mit all meinen Lieblingsrezepten schreiben. Davon träume ich schon länger!

 

www.seesiangs.com