Text: Anita Lehmeier | Fotos: Nik Hunger

IM GRÜNEN IDYLL. Die Gerschnialp ob Engelberg ist ein wahrgewordener Postkarten-Traum: Smaragdgrüne Wiesen, würzig-frische Bergluft, im Hintergrund leuchtet der schneebedeckte Titlis im Sonnenschein. Über dem Idyll schweben ein sanfter Klangteppich aus Kuhglockengeläut und die Gondeln, die Touristen hoch zum Gletscher bringen. Mittendrin ein sonnengegerbtes Holzhaus mit mächtigen Milchkannen davor, die Heimat von Anselm «Sälmi» Töngi und seinen Frauen. Nina, die Gattin, und Giana, die Tochter. Der Mann mit dem angegrauten Walrossschnauz ist ein Engelberger Original, ein Unikat unter den Sbrinz AOP-Käsern und mit seinem geschliffenen Mundwerk ein prima Botschafter für das «Gold der Alpen». Seit 45 Jahren produziert er hier auf 1300 m ü. M. seinen Alp-Sbrinz AOP, der landesweit gefragt ist und schon mit der «Swiss» um die Welt reiste, in der First class - wo sonst?! 

Sbrinzproduzent Saelmi Toengi, in seiner Alpkäserei Geschnialp, oberhalb von Engelberg, Kühe auf Alp Trübsee

Postkarten-Traum: Auf der Gerschnialp ob Engelberg produziert «Sälmi» Töngi seit über 45 Jahren seinen Alp-Sbrinz AOP.

WELTENBUMMLER. Bevor sich der Sälmi ganz dem Käser-Handwerk verschrieb, das er im Emmental erlernt hat, reiste er vier Jahre um den Globus, liess sich den Duft der weiten Welt um die Nase wehen. Jetzt bringt ihn nichts mehr weg von der Gerschnialp. «Ich lebe hier oben in Freiheit», meint er. Auch wenn im Herbst die Kühe ins Tal heimkehren – er bleibt. Pflegt die Laibe in seinem Keller und hilft bei der Pistenrettung auf dem Titlis mit. «Der Käser-Beruf ist das Schönste, was ich mir vorstellen kann», sagt Sälmi. In zwei Jahren allerdings möchte er in Pension gehen, das Alter dazu hätte er ja schon jetzt erreicht. Ob er denn einen Nachfolger hat? «Nein. Die Jungen wollen sich diesen Chrampf nicht mehr antun. Dabei würde ich einem Nachfolger meinen Namen und das Label no so gärn weitergeben!» Das habe aber, wie ein guter Alp-Sbrinz AOP, seinen Preis. Und es schmunzelt breit unter dem mächtigen Schnauz.

 

TAGWACH: 5 UHR. Als wir am Vormittag auf der Gerschnialp eintreffen, ist der Käser schon seit Stunden auf den Beinen, am «Schaffä». Um fünf Uhr heizt er den Holzofen ein, Tag für Tag. In der Käserei wabert dick der Dampf, zusammen mit zwei Helfern führt Sälmi seinen Kürlauf um die grossen Kupferkessi auf. Die Männer in den weissen Schürzen und Käppis verständigen sich mit knappen Worten: «Sibeneföfzg Grad», «no viär Minutä», auch mal «Huärä Siech!» Täglich kommen 2000 Liter Milch in Töngis Manufaktur, anfangs Alp-Saison sind es schon mal 3000 Liter. Die Rohmilch für seinen Käse liefern ihm sieben benachbarte Bauern, insgesamt von rund 200 Kühen, die hier oben sömmern, quasi ihre Ferien verbringen. Schon seit vielen Alp-Sommern verarbeitet der neben Kuh- auch Geissenmilch zu verschiedenen Sorten; darunter Raclette- und Fonduekäse, Mutschli, Ziger und Ricotta. 

Sbrinzproduzent Saelmi Toengi, in seiner Alpkäserei Geschnialp, oberhalb von Engelberg, Sbrinz wird manuell abgeschöpft

Sälmi Töngi und sein Helfer Niklaus Ott befestigen ein halbdurchlässiges Tuch an einem Seilzug.

Sbrinzproduzent Saelmi Toengi, in seiner Alpkäserei Geschnialp, oberhalb von Engelberg, Sbrinz wird manuell abgeschöpft

Knochenjob: Die Käsemasse wird aus dem 1500-Liter-Kessi gehoben.

Sbrinzproduzent Saelmi Toengi, in seiner Alpkäserei Geschnialp, oberhalb von Engelberg, Sbrinz wird manuell abgeschöpft

Zurück bleibt die Molke: Und auf diese sind Nachbars Alpsäuli ganz wild.

SO GEHT ALP-SBRINZ AOP. Sein Goldstück aber ist der Alp-Sbrinz AOP, der in einem eigenen Reifekeller hinter der Käsi lagert. «Der Sbrinz ist ein ganz sensibler Käse. Für den brauchst du viel Herzblut und «Gspüri». Dann wird was ganz Feines draus», erklärt er und langt mit einer seiner mächtigen, aber babyzarten Händen in den Kessel, um die Temperatur zu prüfen. Im 1500-Liter-Kupferkessel erhitzt er die Milch, ein Instrument ähnlich einer Schiffschraube rührt ständig um. Dann kommen Milchsäurebakterienkulturen und das Lab in die Milch. Dadurch wird der Säuregrad in der Kessimilch erhöht, das Lab bewirkt, dass die Milch gerinnt. Es entsteht die Gallerte, eine glatte, puddingähnliche Masse. Eine Käseharfe zerschneidet die Gallerte, je kleiner, desto härter wird der Käse am Schluss. Die Käsekörner werden nochmals erhitzt, Sälmi gibt ihnen 57 Grad Celsius. Bewegung und Wärme machen, dass sich das Käsekorn zusammenzieht, der sogenannte Bruch verfestigt sich und scheidet die flüssige Molke aus. Nina Sälmi bietet die hautfreundliche Molke zum Baden an. Ihr Spa besteht aus einem Holzbottich, von dem aus die Gäste beim Einweichen den Blick auf die Alplandschaft geniessen. Den Grossteil der Molke bekommen die Alpsäuli vom Nachbarn, für das Borstenvieh eine Delikatesse, die ihr Fleisch von innen heraus mariniert und zart macht.

HANDWERK UND KRAFTAKT. Jetzt wird die Käsemasse mit Tüchern aus dem Kessi gefischt und in pneugrosse Formen mit kleinen Löchli drin gefüllt, durch welche die restliche Molke abfliesst. Auf die Formen kommt nun ein Pressdeckel und die Marke, der Käsepass mit der Nummer des Käsers – bei Sälmi ist das die Nummer 6191 – plus das Herstellungsdatum. Dann wird aus der Käsemasse die letzte Molke rausgedrückt. Früher geschah das mit mühlrädergrossen Steinen, heute übernimmt diese Schwerarbeit eine hydraulische Presse mit 1000 Kilo Krafteinwirkung. Danach landen die Laibe in einem kühlen Salzbad, wo sie bis 17 Tage ruhen, mehrmals täglich gedreht werden, Salz aufnehmen und Molke abgeben. «Auf der Lake kannst du laufen, so dick ist die, wie im Roten Meer. Darum schwimmen die 45 Kilo schweren Laibe obenauf. Und so eine Lake hält ewig», erklärt Sälmi. Und wenn er ewig sagt, meint er das auch so. Seine Lake legte er vor 30 Jahren an, das Salz macht sie anitbakteriell. Durch diesen Prozess verfestigt sich auch die Oberfläche zur Rinde, die das Innere schützt und die Form stabilisiert. Anschliessend kommen die Laibe in den Schwitzkeller, wo es herrlich duftet. Nicht nach Käse, sondern nach Karamell! «Das sind die Milchmoleküle, die sich zersetzen», sagt Töngi. Nach mindestens 15 Tagen im Schwitzkeller rollt er die Laibe in den Reifekeller, wo sie im Halbdunkel 22 Monate lagern und vom Chef gehätschelt und täglich abgerieben werden, bis sie das Prädikat Alp-Sbrinz AOP tragen dürfen.


>> www.sbrinz.ch