Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Marcus Gyger
An der Gstaader Promenade. Die Lage könnte prominenter fast nicht sein. Die Tische des Tea-Rooms stehen direkt an der Promenade von Gstaad, nur ein paar Schritte vom Bahnhof entfernt. Und die Schaufenster voller Verlockungen ziehen die Passanten förmlich hinein in die Bäckerei. Earlybeck - ein Name, der auch von jedem Touristen mühelos ausgesprochen werden kann. «Dieser Geistesblitz stammt aus der Zeit meiner Eltern», schmunzelt Eric Oehrli. Im Welschland sei der Name Earlybeck, den die Oehrlis seit Jahrzehnten verwenden, jedoch weniger geläufig, «dort nennen sie mich oft Monsieur Beck». Acht Filialen sind es inzwischen, in Gstaad, in Saanen, im Pays d’Enhaut. Die Bäckerei wurde 1910 von den Urgrosseltern gegründet, bereits damals im Stammhaus in Gstaad, das noch heute das Hauptgeschäft ist. Produziert wird im Backhaus in Saanen, das 2007 neu erbaut wurde. «Seither können wir noch handwerklicher als vorher arbeiten», sagt Eric Oehrli. Grosses Bild oben: Eric und Murielle Oehrli.
Er rollt und rollt die Croissants… Vasco Alves Moreira in der Backstube.
Butter, Eier, Sole. Handwerklich. Und Schweiz von A bis Z. Das sind die Schlüsselwörter bei den Oehrlis. Eric Oehrli ist ein Tüftler. Er, der die HSG St. Gallen abgeschlossen hat und einige Jahre bei Nestlé tätig war, bevor er 2003 in den elterlichen Betrieb nach Gstaad zurückkehrte, kennt alle Zutaten bis ins kleinste Detail. Er ist mit allen Zulieferern seiner Produkte persönlich in Kontakt. Das Mehl bezieht er aus einer Mühle in Utzenstorf, die Eier von den freilaufenden Gstaader Hühnern von Kobi, Schinken, Salami und Wienerli von der nahen Buuremetzg, die Grand-Cru-Schokolade von Felchlin, den Lachs von der Zucht in Lostallo - und wenn es, wie gerade jetzt, dort keinen Lachs gibt, gibt es beim Earlybeck auch keine Lachsbrötli. Statt verarbeitetes Salz holt Oehrli die Sole direkt in der Saline Bex und verwendet das reine Bergwasser gleich mit: «Da sind noch keine Zusätze, aber dafür alle Mineralstoffe noch drin». Auf Margarine verzichtet er seit zwanzig Jahren und verarbeitet einzig die Alpbutter von Etivaz, deren gesamte Sommerproduktion in seine Backstube wandert. Im Winter kommt die Butter aus Gruyère. Alles ist IP-Suisse und Naturel zertifiziert. Eric Oehrli: «Anspruchsvoller in der Verarbeitung, aber besser für die Gesundheit.»
Für diese Pralinés stürmen nicht nur die indischen Touristen den Laden.
30 verschiedene Brote, alle nach eigenem Hausrezept gebacken.
Die Himbeerkonfi für die berühmte Linzertorte ist ebenfalls hausgemacht.
Gipfeli, von Hand gerollt. Ein besonderes Aushängeschild von Earlybeck sind das Brot und die Gipfeli. «Wir sind und bleiben eine Bäckerei, trotz all der weiteren Spezialitäten», betont Oehrli. 1000 Gipfeli verlassen täglich die Backstube. Sie wurden alle von Hand gerollt! Und sind nach französischem Rezept hergestellte Croissants, ohne irgendwelche Zusätze. Dafür kommen die Kunden weither oder geniessen sie auf dem Frühstückstisch vieler Hotels im Saanenland. In Sachen Brot wählt man unter rund 30 Produkten, alle hausgemacht nach eigenen Rezepten. Eines der Geheimnisse ist der Sauerteig, der in allen Broten anstelle von Hefe eingesetzt wird und besonders gut verträglich ist. Am begehrtesten ist das Brot mit dem simplen Namen «Simple», das es weiss oder als Ruchbrot gibt. «Da ist einzig Mehl, Wasser, Salz und Sauerteig drin», verrät Eric Oehrli. Übrigens: das Brot ist so begehrt, dass nicht wenige Feriengäste es kiloweise mit heimnehmen und als Vorrat einfrieren.
Seit 1910 ist der Earlybeck an der Promenade ein wichtiger Angelpunkt in Gstaad.
Berühmt bis nach Indien. Je nach Tageszeit stehen die Leute am Tresen Schlange. Sie kommen wegen den berühmten Torten: Die Linzertorte mit der hausgemachten Himbeerkonfitüre, die zartbittere Truffes-Torte, die Nusstorte mit dem feinen Caramel sind die Renner. Passanten bestellen einen Imbiss, holen ein Sandwich oder den hausgemachten Eistee mit weissem Traubensaft. Und sehr viele Inder steuern bewusst den Earlybeck an, um hier Pralinés und Truffes zu kaufen - genauso wie das Liebespaar im Bollywood-Film DDLJ, den Millionen gesehen haben. Mit den Szenen, die im Berner Oberland und eben im Earlybeck gedreht worden sind.