Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Nik Hunger, HO

Ein Naturphänomen. Die Leute aus Montreux und Vevey reden vom «Maischnee», wenn sich die Hügel oberhalb der Waadtländer Riviera im Mai bis Anfang Juni weiss färben. Es ist eine unglaubliche Pracht: Unten glitzert der Genfersee, oben wogen Hunderttausende von Narzissen im sanften Wind und ziehen Wanderer und Geniesserinnen aus der ganzen Schweiz an. Kein Wunder, ist die Blume das Symbol von Montreux und Vevey – dies seit mehr als einem Jahrhundert: In der Belle Epoque gehörten die prachtvollen Narzissen-Feste, die Festzüge durch die Stadt sowie Opern und Konzerte zu Ehren der weissen Blume zu den Höhepunkten des gesellschaftlichen Lebens. Seit den Sechzigern nimmt der Bestand leider ständig ab. Daher sollte man sich mit einem kleinen Sträusschen begnügen, nicht auf die Blumen treten und sie nicht ausreissen. Der Verein Narcisses Riviera hat sich den Erhalt dieses Naturerbes zum Ziel gesetzt. Und Montreux-Vevey-Tourisme unterhält eine hervorragende Website (www.narcisses.com) mit Details zu sechs verschiedenen Wanderrouten. Und den aktuellen Stand der Blüte. Das Schönste dabei: Alle Rundwege starten und enden bei einem guten Restaurant, wo man sich vor dem Spaziergang stärken oder danach belohnen kann. Wir stellen die drei schönsten Routen mit einem Tipp zum genussvollen Einkehren vor.

Narzissen in Montreux, Thierry Bréhonnet, Chef

Thierry Bréhonnet liebt seine Umgebung – das spürt man seinen Kreationen an.

Narzissen in Montreux, Agneau mit Spargel und Bärlauchblüten

Lamm mit Spargel und, typisch für seinen Kochstil, Bärlauchblüten.

Auf dem Weg der Pleiaden und im Restaurant La Châ.

Prächtig: Einer der «Narzissenwege» führt direkt am «1209» vorbei.

#1: Les Pléiades und die Naturküche im «1209»

Der familienfreundliche Rundgang durch die Narzissenfelder startet beim Restaurant 1209 in Blonay (der Name entspricht der Höhe über Meer). Die 4,8 Kilometer erwandert man in rund 1,5 Stunden, der Höhenunterschied beträgt 250 Meter. Parkplätze gibt es beim Restaurant, man kann auch per ÖV zum Bahnhof Des Pléiades anreisen. Das Bergrestaurant «1209» wurde vor sieben Jahren erbaut, man isst im schönen hohen Raum rund um das Cheminée oder auf der grossen Terrasse mit Blick auf die Berge und einen Zipfel des Sees. Küchenchef Thierry Bréhonnet (13 Punkte) ist ein Kenner der Wildpflanzen, die hier oben wachsen. Er pflückt und trocknet sie, verfeinert seine Gerichte damit: L’Aspérule (Waldmeister) veredelt das Dessert mit Erdbeere und Rhabarber; La Reine des Prés (Mädesüss) kommt in die Schokoladetruffes; aus Pissenlit (Löwenzahn) macht er Honig und Chutneys; eine Sauce aus Sureau (Holunder) begleitet die Spargeln. Und die Knospen legt er in Essig ein und serviert sie im Herbst als «Kapern» zu seinen beliebten Wildgerichten. Den Käse für die berühmten Malakoffs und das Fondue holt er von der Alpkäserei gegenüber, das Bier kommt aus der regionalen Brasserie, auf der grossen Weinkarte findet man auch einen Chasselas aus dem nahen Blonay. Thierry Bréhonnet liebt seine Umgebung – und diese Liebe spürt man in seinen Gerichten!

>> Le 1209, Route de Lally 5, 1807 Blonay-St-Légier, täglich offen. www.group-events.ch
 

Narzissen in Montreux, Le CouCou, Küchenchef Jeremie Duprey

Bei Küchenchef Jeremie Duprey vom «Le Coucou» sollte man zuvor reservieren.

Narzissen in Montreux, Le CouCou

Einmaliges Ambiente, zusammengestellt von Besitzerin Estelle Mayer.

#2: Haut-de-Caux und «Le Coucou»
Hier kann man zwischen zwei Spazierwegen wählen: der Kürzere ist 1,9 km und 50 Minuten lang; für die zweite, steilere Variante mit 2,6 km rechnet man 1,5 Stunden für den Hin- und Rückweg. Parkieren kann man beim Restaurant Le Coucou. Dieses spektakulär gelegene Haus ist auch in der «narzissenlosen» Zeit einen Ausflug wert: Brigitte Bardot und andere Prominente liebten es noch unter dem alten Namen «Hostellerie de Caux». Jazzfestivalgründer Claude Nobs wohnte nebenan, sein Archiv ist noch hier. Die Besitzerin Estelle Mayer hat das Haus vor sieben Jahren übernommen, die Teerrasse mit ihrem tollen Blick auf die Riviera vergrössert und im Inneren mit alten Kronleuchtern, Fotos und Möbeln ein einmaliges Ambiente geschaffen. Ins Auge sticht sogleich die Vitrine mit den Dessertkreationen des Patissier-Künstlers Clément Berteaux: Tartes aux framboises, aux myrtilles, Tarte tatin, der konfierte Apfel mit Caramel. Und in der Küche wirkt nicht weniger begabt Jérémie Duprey, der vorher in Crissier tätig war. Sein «fabuleux Burger Angus Suisse» mit Rösti und Raclettekäse, das Fondue mit Trüffel, das Coquelet auf Kräutern, die Wildspezialitäten ziehen derart viele Stammgäste und Passanten an, dass immer in zwei Schichten serviert und eine Reservation unbedingt empfohlen wird.  

>> Le Coucou Hôtel & Restaurant, Route des Monts 31, 1824 Caux/Montreux, Mo und Di Ruhetag. www.coucoumontreux.com

Narzissen in Montreux, Les Cergniaulaz, Babà au Absinthe

Beliebtes Dessert: Baba au Absinthe mit Glace und würziger Tuile.

Narzissen in Montreux, Les Cergniaulaz, Lisa Stucki, Köchin (l) mit Orianne Weber (r), Besitzerinnen

Setzen wenn immer möglich auf regionale Produkte: die Besitzerinnen Lisa Stucki (l.) und Orianne Weber.

Narzissen in Montreux, Les Cergniaulaz

Und wenn man schon mal da ist... Lokale Spezialitäten können auch nach Hause genommen werden.

#3: Les Avants/Orgevaux und «La Cergniaulaz» 
Auch hier gibt es zwei Varianten: Eine 5,4 km lange Route mit Höhenunterschied von 350 Metern startet beim Restaurant Les Avants. Wir wählten den flacheren, halbstündigen Spaziergang, der bei der hübsch gelegenen Auberge de la Cergniaulaz bei Orgevaux startet. Dieses geschichtsträchtige Haus ist seit 50 Jahren für seinen «Lapin en cocotte» mit cremiger Polenta und für den Gamspfeffer bekannt. Schön, dass die beiden neuen Besitzerinnen Lisa Stucki und Orianne Weber, welche die Auberge seit letztem Frühling führen, diese beiden Gerichte weiterhin anbieten. Auf der Schiefertafel mit dem Menü findet sich neben Markknochen und saisonalen Suppen auch viel Vegetarisches wie etwa eine Tarte Tatin mit verschiedenen Gemüsen. «Alles aus unserer Region», betonen die beiden, und auch die Weine stammen zumeist aus der Waadt, wenn immer möglich von Winzerinnen gekeltert. Sehr beliebt sind die Desserts, allen voran die Baba im Glas mit Absinth, einer Glacekugel und einer mit Harissa gewürzten Tuile. Das neu ganzjährig geöffnete Haus ist mit 12 GaultMillau-Punkten gelistet. Es öffnet seine Türen auch für Musikevents, Ausstellungen oder Jassturniere.   


>> Le Cergniaulaz, Route de la Cergniaule 18, 1833 Montreux, Mo und Di Ruhetag. www.lacergniaulaz.com
 

Weitere Informationen über Narzissen und die Region:
www.narcisses.com
www.montreuxriviera.com