Text: Anita Lehmeier Fotos: Pascal Wasinger

«Kompetenzzentrum für alpine Regionalkulinarik.» Ende August öffnete das Culinarium Alpinum im Kapuzinerkloster in Stans an der Mürg seine Tore – umständehalber nicht mit einem grossen Festakt, sondern etappenweise mit einem Soft Opening. Seither strömen die Gäste aus nah und fern herbei, um sich das «Kompetenzzentrum für alpine Regionalkulinarik», dieses new big thing für Geniesser, anzusehen und auszukosten. Das Culinarium Alpinum steht auf zwei Säulen: Da ist einerseits das Kursangebot für Profi und Laien, das die Tradition der alpinen Küche vermittelt. Dafür wurde eine topmoderne Schulungsküche mit drei Kochinseln eingerichtet; dazu kommen sechs Seminarräume. Zum Angebot gehören ausserdem Beratungen für Produzenten und Gastrobetriebe.

 

«Koch sucht Bauer, Bauer sucht Koch». So bringt es Mastermind und Kurator Dominik Flammer (grosses Bild oben) kurz auf den Punkt. Das Bildungs- und Beratungswesen wird getragen von der Stiftung «Kulinarisches Erbe der Alpen», die für die Umsetzung des Projekts gegründet worden war. Unterstützt hat den Prozess vom Umbau bis zur Realisierung des Culinarium Alpinum der St. Galler Mäzen Johannes Senn, dem die Sache satte zehn Millionen Franken wert war. Weitere fünf Millionen kamen von der öffentlichen Hand, Sponsoren und Gönnern. Was das Duo Flammer/Senn gemeinsam mit Stiftungsratspräsident Tis Prager innert sechs Jahren mit Know-How und Cash auf die Beine gestellt hat, kann sich jetzt sehen – und geniessen – lassen.

 

Peter Durrer und Chef David Zurfluh

Ein eingespieltes Team: Hoteldirektor Peter Durrer und Küchenchef David Zurfluh.

Ein Fall für Peter Durrer. Die andere Säule im neuen Klosterleben ist das Restaurant und die Beherbergung. Für diesen Bereich konnte der Nidwaldner Peter Durrer gewonnen werden. Durrer ist weit über die Innerschweiz hinaus bestens bekannt als Top-Gastronom. Der ehemalige Vize-Direktor der Hotelfachschule Luzern SHL eröffnete 2010 mit der «Villa Honegg» das erste Fünfsternhaus im Kanton Nidwalden und führte die Belle-Epoque-Perle zu internationalem Erfolg. Die Bilder des Infinity-Pools mit Bergkulisse gingen weltweit viral. Nach einem kurzen Abstecher ins «Palace» Luzern im vergangenen Jahr wurde Durrer plötzlich frei, da der Hotelbetrieb an «Mandarin Oriental» ging und einen General Manager aus der MO-Gruppe wünschte. Ins Kloster eingetreten ist Durrer anfangs Jahr - als Projektleiter Eröffnung. Er ist geblieben, führt jetzt das Culinarium Alpinum-Restaurant und die Herberge selbstständig. Um die heimische Gastronomie nicht zu benachteiligen, läuft der Bereich Brot & Bett nicht unter der Stiftung.

 

14 Klosterzellen mit Bad und WLAN. Das A-la-Carte-Restaurant mit 70 Plätzen ist im ehemaligen Refektorium daheim, da, wo einst die Patres speisten. Der edle Holzboden und die Eisenlüster stammen noch aus dieser Ära. Neu ist die gestufte Terrasse mit 50 Plätzen. Aus jeweils zwei der kleinen, kargen Zellen der Brüder wurden elegante, minimalistische Zimmer gestaltet, 14 an der Zahl. Auf zeitgemässen Komfort müssen Gäste nicht verzichten, die zartgrünen Zimmer haben WLAN und eigene Bäder. Den fehlenden Fernseher ersetzt der Blick aus dem Fenster: Postkarten-Sicht über grüne Wiesen und auf das Buochserhorn.

Sbrinz-Keller

Highlight im Kloster: Der Sbrinz-Keller mit Käse aus der Region.

Hotelzimmer

Mönchszellen Deluxe: Die neuen Hotelzimmer im Kloster.

Alpenküche. Was sonst? Das Konzept des Culinarium Alpinum, die Pflege der heimischen Produkte und Rezepte, wird denn auch im Restaurant täglich gelebt. Es ist quasi das Musterbeispiel für den Geist des Hauses, der Schule machen soll. In der einsehbaren Küche hat David Zurfluh das Sagen. Gastgeber Peter Durrer konnte seinen ehemaligen Küchenchef in der «Villa Honegg» vom Nobelhoger herunterlocken und fürs Culinarium gewinnen. Hier beweisen Zurfluh und sein Team jeden Tag aufs Neue, wie vielfältig die Alpenküche ist und was man allein mit regionalen Produkten auf den Tisch zaubern kann. Die Liste der Lieferanten ist illuster und lang, die Lieferwege dafür umso kürzer.

 

«Regio schlägt Bio». Gemüse, Obst und Früchte stammen vom Bio-Hof Wydacher, vom Bio-Hof Murmatt und vom Bieli-Hof in Ennetmoos, vom Demeter-Hof Hohbüel in Kehrsiten, den Zimmermanns aus Stans und die Wasers aus Oberdorf. Der Käse kommt vom Chälen-Toni von der Meierskählen und von Barmettler Stans. Fisch bringen die Franks vom Seehuisli in Ennetbürgen fangfrisch, das Fleisch die Hofmetzg Lussi aus Oberdorf und die Spisbodener in Engelberg. Zwei- bis dreimal die Woche liefert der Gärtner vom Frauenkloster St. Klara nebenan Blumen und Kräuter, er kommt zu Fuss. Eine Knospe-Zertifizierung ist nicht zwingende Voraussetzung, um ins Kloster liefern zu können, man ist da nicht dogmatisch. Regio schlägt für einmal Bio.

Klosterladen

Der Klosterladen: Wer sucht, findet tolle Produkte aus der Region.

Klosterladen

Auch für Feste geeignet: Das Kloster Stans, mit grossem Saal. 

Im Keller lagert der Sbrinz aus acht Käsereien. Die Materialien im Haus und die Handwerker, die am fünfzehnmonatigen Umbau beteiligt waren, stammen übrigens ebenfalls weitgehend aus der Nähe. Im Weinkeller neben dem Restaurant, quasi der begehbaren Karte, lagern nebst heimischen und helvetischen Weinen auch Flaschen mit autochthonen Sorten aus dem gesamten Alpenbogen. Im schönsten und grössten Saal des Hauses, der ehemaligen Bibliothek (heller Schatten am Boden zeugen davon, wo einst die Regale mit den schweren Folianten standen) finden Bankette mit bis zu hundert Gästen statt. Zum Betrieb gehört ausserdem der Klosterladen mit Spezialitäten, die auch in der Küche zum Einsatz kommen oder da hergestellt werden – sobald Zurfluhs Team Zeit dafür findet. Nebenan, ebenfalls im Kellergewölbe, ist die Schatzkammer des Haues untergebracht, der Sbrinzkeller. Hier lagern im Dämmerlicht die honigfarbenen Laiber von allen acht Sbrinz-Alpen, von einigen sind mehrere Jahrgänge zum Vergleich vorrätig. 

 

«Hiäsigs» auf der Karte. Bei unserem Besuch stand nur «Hiäsigs» auf der Karte. Man bestellt reichlich und teilt: Hacktätschli und Terrine vom Hirsch aus Oberrickenbach. Entlebucher Forelle, geräuchert vom Beckenrieder Martin Waser, mit Boretschdekor aus dem benachbarten Klostergarten St. Klara. Geissenziger-Mousse von Meierskälen ob Stans mit frischen und sauer eingelegten Birnen. Sbrinzcrème von der Gerschnialp mit gebackenem Fenchel und Butternusskürbis vom Wydacher-Hof. Von ebenda stammt das pochierte Ei, das der Chef mit Gotthardpilzen aus Stansstad anreichert. Und zu guter süsser Letzt gabs Kompott von Demeter-Zwetschgen vom Hof Hobiel sowie Knödel vom Quark von der Molkerei Stans. Einzig der Pfeffer ist exotisch und stammt aus den Ländern, wo der Pfeffer eben wächst.

Sbrinz mit fenchel

Sbrinz-Crème mit Fenchel & Butternuss-Kürbis. Sbrinz von Sälmi (Gerschnialp), Gemüse vom Wydacher-Hof. 

Gin Alpinum

Der Wacholder des Walden Gin stammt aus Nidwalden. Entwickelt und gebrannt wird er in Obwalden, m 13 Botanicals.

«Work in progress.» So parat das Culinarium Alpinum schon bei der Eröffnung war – fertig ist es noch lange nicht. «Und wird es hoffentlich auch nie», meint Kulinarik-Netzwerker Dominik Flammer, «es ist ein work in progress.» So soll nächstes Frühjahr die essbare Landschaft, ein Naschgarten fürs Publikum, angelegt werden, mit 500 Obst- und Beerensorten. Das Culinarium Alpinum zu besichtigen bietet sich besonders an am Samstag, den 17. Oktober: Da findet der erste Innerschweizer Obstsortenmarkt statt. Von 9 bis 17 Uhr im Klostergarten.

 

>> www.culinarium-alpinum.ch