Interview: Daniel Böniger I Fotos: Ellin Anderegg & Pascal Grob

Jose Severino, wann haben Sie zum ersten Mal Ceviche gegessen? 

Ich kann mich an keine konkrete Begebenheit erinnern, da war ich wohl noch ein kleines Kind. In Peru, wo ich aufgewachsen bin, gehört Ceviche zur kulinarischen Tradition. Ich erinnere mich daran, dass das Gericht bei meiner Mutter jeweils sehr weisslich daherkam, weil sie den Fisch nach alter Machart über Nacht eingelegt hat. Ich mache es hier im Barranco inzwischen im «Japanese Style», so wie die Einwanderer, die ab 1899 nach Peru kamen. Sie verkürzten die Einlegezeit. 

Bevor auf all die Möglichkeiten eingehen - können Sie mir das Grundrezept erklären? 

Das Gericht basiert plus minus immer auf der gleichen Formel! Roher Fisch wird mit Zitrusfrucht-Saft und Gewürzen eingelegt, hinzu kommen Salz, Pfeffer und passende Garnierungen. 

Beginnen wir doch mit dem Fisch. Welcher soll es denn sein? 

Ich sehe da sehr wenige Grenzen. Fisch mit hellem Fleisch wird gern verwendet. Tuna oder Lachs bieten sich an, aber ich habe auch schon Schweizer Zander aus dem Süsswasser verwendet. Wichtig ist, dass man sich überlegt, wie man den Fisch schneiden möchte.  

Welche Schnittarten kommen infrage? 

Üblicherweise macht man Würfel, aber dank den japanischen Einflüssen wird auch gerne «Tiradito» gemacht. Da wird der Fisch dünn wie Sashimi quer zur Fettmaserung geschnitten. Ganz kleine Fische, also Boquerones, kann man - wenn sie frisch genug sind - auch als Ganzes auftischen. Ich habe sogar schon ganz auf Fisch verzichtet und stattdessen Gemüse in der Tigers Milk eingelegt. 

 

Barranco, Restaurant Barranco, Zürich, Zuerich

Bei Jose Severino geht Ceviche sogar vegan: Palmherzen an Tigers Milk mit Wasserkresse.

Damit sind wir bei der Tigers Milk, also der Marinade. Wichtigste Zutat sind da wohl die Zitrusfrüchte… 

Es braucht ja eine gewisse Säure, damit der Fisch gar wird. Sehr häufig nimmt man da Limettensaft, aber auch Yuzu, Bergamotte, Amalfizitronen oder Orangen können passen. Bei Kabeljau beispielsweise würde ich eher Zitrone nehmen, da ist der Saft weniger aggressiv und die schöne Struktur des Fisches wird nicht zerstört. Für andere Ceviches habe ich auch schon Limette mit Reisessig gemischt, um einen asiatischen Touch zu bekommen. Oder Bergamottensaft mit Verjus, um eine regionale Komponente zu verwenden.

Weitere Zutaten, die in die Tigers Milk gehören? 

Die muss natürlich klug zusammengestellt sein, damit sie ihre angebliche aphrodisische Wirkung entfaltet - und man sich wie ein Tiger fühlt. Mögliche Zutaten neben den Zitrusfrüchten sind Zwiebeln, Knoblauch, Fischbouillon, Stangensellerie, Ingwer, Salz, Pfeffer… Wer es besonders cremig mag, kann zusätzlich Ajo blanco oder Avocado hineingeben, bevor man alles im Mixer vermengt. Zum Verdicken geht aber auch Sonnenblumenöl, zum Verdünnen Wasser in Form von Eis. 

Wie lange lässt man den Fisch ziehen? 

Es kommt natürlich darauf an, wie gern man rohen Fisch mag. Ich finde, ein paar Minuten reichen, wenn der Fisch eine hohe Qualität hat. 

Sie sprachen auch von Garnituren. Wie werden die bisher genannten Zutaten ergänzt, damit das Ceviche den eigenen Touch bekommt? 

Wieder sind die Möglichkeiten fast endlos. Gern verwendet werden rote Zwiebeln, ihre leichte Schärfe hat etwas Frisches. Chilis kommen hinein. Oder all die Kräuter wie Koriander, Minze oder Gartenkresse... In Peru geben wir gerne noch Kartoffeln oder Süsskartoffeln hinzu, in Mexiko nimmt man eher Tomaten. 

 

Al Dente, Zürich, Barranco, Christina Tobler, Jose Severino

Das «Barranco» am Bullingerplatz in Zürich betreibt Jose Severino zusammen mit Christina Tobler.

Welche Temperatur soll ein Ceviche haben?  

Gerade in wärmeren Gegenden serviert man es so kalt wie möglich. Darum gibt es beispielsweise in London viele hippe Lokale, die den Teller auf Eis servieren! Aber im Barranco haben wir auch schon ein Hot Ceviche gemacht… Man kann sich da gut den Aussentemperaturen angleichen. 

Was ist Ihre persönliche Lieblingsvariante? 

(Jose Severino studiert lange.) Ich bin da sehr «basic» unterwegs.  Ich mag Adlerfisch in Würfel geschnitten, mit frischen Lemon-Drop-Chilis, Limettensaft, Salz und dünnen Selleriescheiben, dazu Koriander… Topchefs in Peru sagen: Es geht nicht darum, möglichst viele Zutaten zu haben, sondern die perfekte Balance zu erreichen. Ein zweiter Favorit: Lachs mit geriebenem Ingwer, Sojasauce, etwas Sesamöl und Yuzusaft. 

Und was trinkt man hierzu? 

Bier geht immer! Aber weil Ceviche oft sehr säuerlich ist, finde ich auch, dass restsüsser Riesling gut passt… Wer mit Chilis und Säure vorsichtig ist - und das sollte man, damit der Fisch zur Geltung kommt - kann ruhig auch anders kombinieren. Wieso keinen Cava oder Orange-Wein. 

 

>> www.barranco.ch