Text: Daniel Böniger I Fotos: Christopher Kuhn

Das Portemonnaie bleibt stecken. Die Qual der Wahl? Hat man im Elmira in Zürich nicht. Wer sich entschliesst, im seit Oktober 2022 geöffneten Restaurant das Abendessen zu geniessen, bucht und bezahlt vorgängig ein Ticket für 290 Franken. So wie man es vom Kinobesuch oder vom Opernabend her kennt. Im Fixpreis inbegriffen sind ein siebengängiges Menü und sämtliche Getränke. Und offenbar scheint dieses pionierhafte Konzept bei den Gästen anzukommen: «Klar wird es am Tisch meist irgendwann im Laufe des Abends mal zum Gesprächsthema», sagt Küchenchef Vilson Krasnic. «Wenn die Kundschaft aber auch nach dem Kaffee und dem Digestif das Portemonnaie nicht mehr zücken muss, hinterlässt das bei allen ein gutes Gefühl.» Grosses Bild oben: Vilson Krasnic richtet einen Teller an, dahinter Dominik Schmitz.

  

 

Gault Milau, Restaurant Elmira Zürich, Vilson Krasnic

Snack im aktuellen Menü: Karottenblumen.

Gault Milau, Restaurant Elmira Zürich, Vilson Krasnic

Akt 6: Portobello mit Spinat und Lattich.

Gault Milau, Restaurant Elmira Zürich, Nicolas Bernet, Lachs

Akt 1: Saibling aus Schwyz mit Dashi und Kräutern.

Auf Scampis muss Krasnic verzichten. Das Elmira verbindet einige USP, die man von einem «zeitgemässen» Fine-Dining-Lokal im urbanen Umfeld erwartet: Sämtliche Gänge können auch ohne tierische Produkte bestellt werden. «Ungefähr jeder fünfte Gast wählt die pflanzliche Alternative - Tendenz steigend», sagt Krasnic. Die Gerichte werden vom Küchenteam höchstpersönlich serviert und vorgestellt. Nachhaltigkeit wird gross geschrieben, «und so passt es, dass dank der Reservation die No-Shows fast komplett wegfallen, was die Vorrats- und die Personalplanung erleichtert.» Nicht zuletzt kommen Zutaten und Weine aus der Region - so musste der Küchenchef etwa, erzählt er lachend, auf seine heiss geliebten Scampi verzichten. Er arbeitete zuvor an Orten wie dem Musigny in Zürich oder dem Privatclub Shed in Zug. 

 

Gault Milau, Restaurant Elmira Zürich, Larissa Mesmer, Vilson Krasnic

Ziehen die Fäden: Geschäftsführerin Larissa Mesmer und Küchenchef Vilson Krasnic.

Hilfe beim Onlineformular für den Senior. Was Vilson Krasnic auf den Tisch zaubert? Zum Beispiel gegrilltes Rüebli mit mit hausgemachten Kimchi, Erbsen-Miso und Kräutersalat. Oder geschmortes Rindsbäggli mit Pommes Mousseline - halb Bergkartoffeln, halb Butter -, dazu crispy Federkohl und gutem Kalbsjus. Alles tadellos. Trotzdem fragt man nach: Zahlen wirklich alle Gäste ohne mit der Wimper zu zucken im Voraus? «Natürlich wissen wir nicht, wer gar keinen Platz bucht, weil ihn schon das Reservationssystem abgeschreckt hat», gibt Geschäftsführerin Larissa Mesmer zu. Und was übrigens auch schon vorgekommen sei: «Dass ich am Telefon einem älteren Gast beim Ausfüllen des Onlineformulars helfen musste!» 

 

Dominik Schmitz, Souschef im «Elmira».

Dominik Schmitz, Souschef im «Elmira».

Regional und saisonal kochen - dafür legt man auch gern ein.

Regional und saisonal kochen - dafür legt man auch gern ein.

Empfehlung an die Berufskolleginnen. Offenbar mache man nicht alles falsch, sagt Vilson Krasnic. Ob jemand ein Glas Wein mehr oder weniger trinke, sei beispielsweise keine Frage. «Wir schenken gerne nach.» Und wenn jemand lieber alkoholfrei geniesse? Stets sei auch eine interessante alkoholfreie Begleitung parat. Wer wolle, könne sogar beide Varianten probieren! Und so weiche die anfängliche Skepsis, falls vorhanden, in aller Regel bis am Ende des Abends der Sympathie für das Lokal: «Nicht selten gibt es zur Verabschiedung sogar Handshakes.»  

 

Bei Vilson Krasnic geht es auch um Details.

Bei Vilson Krasnic geht es auch um Details.

Nicolas Bernet (ganz links) füllt die Gläser, hier zusammen mit Krasnic (m.) und Schmitz.

Nicolas Bernet (ganz links) füllt die Gläser, hier zusammen mit Krasnic (m.) und Schmitz.

Noch zu lösen: die Sache mit dem Sechsertisch. Das Fazit: Planbare Ressourcen und Aushilfen, ein fixer Menü jeden Abend, No-Shows tendierend gegen Null - das müsste für andere Restaurants doch auch verlockend klingen. «Ja, wir würden unseren Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbaren Konzepten tatsächlich zu diesem Schritt raten.» Das Ticket-Konzept funktioniere - bis vielleicht auf den Sechsertisch in der Mitte des Gastraums: Weil man seinen Sitzplatz online in einem Saalplan selber auswählen könne, bliebe dieser an Abenden mit nur Zweierbuchungen manchmal leer. Offenbar sitzt die urbane Kundschaft, hat sie die Wahl, halt doch lieber unter ihresgleichen.

 

www.elmira.zuerich