Text: Elsbeth Hobmeier | Fotos: Kurt Reichenbach
Schatzkammer im Militärstollen. Eine Betonwand tief im Kandertal, rundherum Felsen, ein rauschender Bach, Wald. Kein Mensch würde in dieser Kulisse eine Schatzkammer voll riesiger Käselaibe vermuten, wären da nicht die frisch gewaschenen Käsebretter draussen an der Sonne. Und die Inschrift Gourmino Affinage selection. «Das war ein Glücksfall, dass wir diese einstigen Militärstollen übernehmen konnten», sagt Roland Sahli. Als Geschäftsführer von Gourmino ist er Herr über dieses Reifelager riesigen Ausmasses. Im Stollen 1 lagern 2000 Emmentaler AOP Käse, ein jeder gegen 100 Kilo schwer, im Stollen 2 gar 3000 Laibe. 220 Meter tief in den Berg hinein reichen die Gänge, «das Gestein und der Wald darüber wirken wie ein Schwamm. Sie erhalten die Feuchtigkeit und die konstante Temperatur, die wir brauchen», sagt er. Hier treffen zwei Moränen zusammen, das Gestein vom Doldenhorn und von der Blüemlisalp. Der nackte Felsen glitzert dank den natürlichen Salpetersalz-Kristallen wie ein Diamant. «Wir machen hier Affinage im Berg, das ist auch unser Gütezeichen», betont Roland Sahli. Die Gourmino AG entstand aus einer Initiative von Emmentaler AOP Käsereien, welche sich direkt am Reifeprozess ihrer Käse und vor allem an deren Export beteiligen wollten. Heute wird ihr Emmentaler AOP in 25 Länder verschickt, die USA sind der Hauptmarkt. «Doch wir rollen den Schweizer Markt mehr und mehr auf», tönt Roland Sahli sehr zufrieden. Der im Berg affinierte Gourmino-Emmentaler AOP ist heute bei Coop, Migros, Volg, Spar und vielen Fachgeschäften im Angebot. Grosses Bild oben: Käser Roland Sahli.
Von mild bis kräftig rezent. Nun ist Emmentaler nicht einfach gleich Emmentaler. Das Emmentaler AOP Sortiment umfasst vielmehr mit neun (!) verschiedenen Käse von mild bis kräftig rezent, eine grosse Geschmacksvielfalt für Geniesser. Wie macht man das, dass aus derselben Milch, mit derselben Produktionsmethode aller Käsereien so verschiedene Geschmacksrichtungen entstehen können?, wollen wir von Roland Sahli wissen. «Das ist jetzt eben unsere Aufgabe hier im Keller, indem wir die Reifung in der gewünschten Richtung mit einer individuellen Pflege beeinflussen; aber ein wichtiger Schritt erfolgt bereits vorher mit der Selektion der Käse, denn nur die besten Emmentaler AOP werden hier eingelagert», lacht er. Zuerst einmal die Dauer der Lagerung. Der klassische Milde, beispielsweise aus Biomilch der natürlichste Emmentaler AOP, reift vier Monate, der kräftig-rezente Emmentaler AOP Urtyp fast eineinhalb Jahre. Dann spielt die Behandlung eine wichtige Rolle: Jeder Laib wird von den Käsefachleuten regelmässig beobachtet. Stimmt der Druck innerhalb des Laibs? Überzieht ein feiner Film von Schimmel die Rinde, aber bitte nicht zu viel? Mit wieviel Druck müssen die Bürsten rotieren, welche den Laib regelmässig abbürsten und waschen? Ein- bis zweimal pro Woche wird diese Prozedur durchgeführt, die weissliche Oberfläche verwandelt sich nach und nach in eine dunkelbronzefarbene Patina. Und entsprechend all dieser Massnahmen schmeckt der Käse dann auch sehr anders. «Leider kennen viele Geniesser immer noch einzig den klassischen Milden, das wollen wir ändern», bestätigt Roland Sahli, der Käsersohn aus dem Emmental, der heute die Gourmino in neue Sphären führt. «Wir haben ein tolles Produkt aus einem super Rohstoff», sagt er. Er wolle vor Ort zeigen, in welch genussvoll grosser Sortimentsvielfalt der Emmentaler AOP entsteht, «und das machen wir auch!». Sein Ziel ist klar: Neben dem klassisch milden, mehr auch die aromatischen und länger gereiften Charakter-Emmentaler AOP den Käseliebhabern bekannt machen.
Eine Sommelière für den Käse. Eine, die jeden Reifegrad von Grund auf kennt und studiert hat, ist die Käsesommelière Monika Bösch aus dem Toggenburg. Sie verfasst die Genussbeschreibung der verschiedenen Emmentaler AOP, sie denkt sich auch Rezeptvorschläge aus. Als gelernte Bäcker-Konditorin hat sie sich intensiv in Richtung Käse weitergebildet, «diese Botschaft und dieses Wissen will ich weitergeben», sagt sie. Ihr haben wir die nicht ganz einfache Frage gestellt: Was trinkt man zu den verschiedenen Reifegraden von Emmentalern AOP? Was passt zu wem? Wir haben fünf Beispiele ausgewählt (siehe unten). Ihre Vorschläge verblüffen, sie zielen weit weg vom gewohnten Glas Weissen oder Roten und berücksichtigen auch die Genussgewohnheiten von jüngeren Geniessern. Ein Himbeer-Gazosa zum Surchoix? Ein malziges Bier zum «Gotthelf»? Ein Mate-Getränk zum Urtyp? Ist zwar ungewohnt, aber gar nicht schlecht: Probieren geht über Studieren!
Der Biologische
Emmentaler AOP Bio mild/classic
Vier Monate gereift, mild und sanft, milchig-süssliche Karamellnote, ein junger Klassiker aus Biomilch, der so gut wie zu allem passt, der «Käse für jeden Tag».
Dazu empfiehlt Monika Bösch einen eher fruchtigen Weisswein mit einer angenehmen Säure, lieber leicht süss als allzu trocken. Gut eignet sich auch ein moderner Orange Wine, der mit den Beerenhäuten vergoren wurde und dadurch eine hervorragende Fruchtsäure und den spezifischen Farbglanz mitbringt.
Der Mittelreife
Emmentaler AOP Réserve/Surchoix
Acht Monate gereift, charaktervoll, dezent herbe Note, leicht würzig und aromatisch, regt den Appetit an.
Eine gewagte, aber verblüffende (und junge!) Kombination zum Ausprobieren: Mit einer Gazosa Lampone von Coldesina aus Bellinzona, ein «Himbo» mit leichter Kohlensäure, das den Käsegeschmack nicht übertönt. Auch ein Holunderblütensirup könnte passen.
Rezept: Kürbis-Risotto mit Balsamico-Reduktion und Käsespänen
Der Rare
Emmentaler Gotthelf AOP Slow Food
12 bis 15 Monate gereift, rezent, charaktervoll, cremig. Ausgeprägt würzig mit Goût du terroir, weicher, leicht mürber Biss.
Und dazu ein Bier, ein malziges mit leichter Caramelnote wie zum Beispiel das Zwinglibier aus dem Toggenburg.
Der Geheimnisvolle
Emmentaler AOP Höhlengereift
12 Monate gereift, fein würzig-herb trotz dezenter Süsse, fester, leicht trockener Biss, mit Aromen vom Tannenwald vor dem Felsenkeller.
Hier passt ein komplexer Rotwein mit gut eingebundenen Tanninen, zum Beispiel ein Grenache oder Syrah, der elegant ist, aber dem Käse standzuhalten vermag.
Der Urgewaltige
Emmentaler AOP Urtyp
12 bis 15 Monate auf den Punkt gereift, und regelmässig mit Salzlake veredelt, vollmundig mit weichem Abgang, herzhafter Biss, salzige Eiweisskristalle, ein kräftig-rezenter Geniesserkäse.
Dazu nochmals ein Experiment: Monika Bösch schenkt dazu ein Mate ein, das südamerikanische Kultgetränk von El Tony aus Luzern. Es ist leicht koffeinhaltig, mit angenehmer Süsse im Antrunk und einem tee-herben Abgang, der gut zum süss-salzigen Grundton des Urtyp passt.