Ciani

Draussen im Garten sitzt Winzer-Ikone Luigi Zanini («Castello Luigi»), 81 Jahre alt, fit und fröhlich wie eh und je. Er hat aus lauter Liebe zur lustvollen Gastronomie das verstaubte «Ciani» übernommen und mit Dario Ranza Luganos besten Koch von der «Villa Principe Leopoldo» in den Betonbunker im Stadtzentrum gelockt. Signor Dario zeigt nochmals seine ganze Klasse. Lugano dankt es: Das Ristorante ist immer rappelvoll.
Ranza steht im Corona-Jahr tapfer mit Mundschutz in der offenen Küche und rackert für drei. Seine Gerichte sind herzhafte Liebeserklärungen an den Süden und oft eher währschafter Natur: Das Zweierlei vom Kalbskopf, einmal ausgebacken, einmal zum Carpaccio aufgeschnitten, mit roten Zwiebeln aus Tropea und mit Alici (Sardellen) aus dem Kantabrischen Meer serviert, ist so ein Ding; nicht jedermanns Sache, aber für Liebhaber Genuss pur. Weltküche geht auch: ein Ceviche aus Tuna und Adlerfisch, nahe an einem Sashimi, nicht wie üblich in Limettensaft «gegart», dafür mit etwas Vinaigrette beträufelt. Eine Augenweide der Teller mit Jakobsmuscheln (perfekt knapp gegart), Spargeln (knackig) und Quinoa (dreifarbig).
Beim Pastagang lernen wir eine neue Teigwarensorte aus Gragnano kennen: Taccozzette, eine Art klein geschnittene, wellige Tagliatelle. «Alla carbonara nostrana» wird annonciert: Eine Tessiner Salsiccia ersetzt den Guanciale (Schweinsbacke), der Käse stammt von den umliegenden Alpen und den Maggia-Pfeffer spürt man gut heraus. «Lieber zu viel als zu wenig» ist hier offenbar das Motto.
Ranza steht für Risotto und den sollte man beim Besuch im «Ciani» zwingend bestellen. Mit der nötigen Geduld: Der Chef verzichtet auf alle Tricks der Regeneration, investiert volle 20 Minuten in den Gang. Die Variante diesmal: tiefgrüne Spargelspitzen, feuerrote Safranfäden, sauber gebratene Wachtelbrüstchen. Klassiker gibt’s im Hauptgang: Kalbskoteletts, Schweinskoteletts, Lammkoteletts, Güggel «alla diavola», Black Angus. Abends gibt es einen attraktiven Viergänger: «Menu tra amici» – für einen Abend unter Freunden. Freunde hat Ranza viele: Wir entdecken im Restaurant den St. Moritzer Starchef Martin Dalsass; packt ihn das Heimweh nach dem Tessin, schaut er bei Dario rein.
PS: Ist einer wie Luigi Zanini der Padrone des Restaurants, lohnt sich der Blick in die Weinkarte ganz besonders. Zweiundvierzig Mal muss man durch den iPad wischen, bis man eine erste Übersicht gewonnen hat. Die Auswahl ist typisch für den Merlot-König aus dem Mendrisiotto: «Simply the best!» aus allen Ländern der Welt.