Zur Fernsicht

Ausgezeichnet à la carte essen zu moderaten Preisen kann man in der durchgestylten «Fernsicht» im Swiss Alpine Restaurant. Richtig verzaubert (italienisch: «incantare») wird man aber einen Stock höher: Hier bietet Küchenchef und Geschäftsführer Tobias Funke, mit zwei Michelin-Sternen und 17 Punkten ausgezeichnet, eine äusserst ambitionierte, avantgardistische Küche. Funke ist ein zurückhaltender Chef, ein virtuoser Geschmackstüftler und ausgesprochener Ästhet am Herd, der mit seinen Kreationen den Intellekt mehr anspricht als das Herz. Statt Soul Food gibt’s also Präzision, Subtilität und Perfektionismus auf dem Teller. Dies verlangt dem Gast einiges ab. Wer die Reservation nicht rechtzeitig absagt, zahlt 150 Franken.
Schon die Amuse-bouches outeten Funke als Meister: Die auf drei Arten zubereiteten Coquilles Saint-Jacques schmeckten wunderbar, das Duo von Rande und Thon war köstlich. Der südafrikanische Scampo im grünen Süppchen bewies, dass Sellerie, Granny Smith, Dill und Miso hervorragend zu Schalentieren passen. Die leicht rauchige «Carbonara mit Waldaromen» zeichnete sich durch hauchdünne Spaghettini, frittiertes Pilzheu und ein Konzentrat aus Fleischbrühe, Miso und Pilzen aus und bot ein fesselndes Spiel von Säure, Schärfe und Texturen. Begeistert waren wir auch von der gebratenen Tranche einer Rotbarbe mit Belugalinsen, Catalogna, Salicornes und Salzzitrone. Noch besser schmeckten womöglich die leicht geräucherten Kalbsmilken, kühn serviert mit Sauerkraut, Estragon und der japanischen Gewürzmischung Shichimi Togarashi. Im Hauptgang hatte das Duo vom Sisteron-Lamm mit wildem Broccoli, Topinambur und Périgord-Trüffel (leider ohne Geschmack) einen überzeugenden Auftritt.
Der Käse hielt mit: ein cremiger Jersey Blue mit Schwarzbrotcrostini, roter Zwiebel und leicht bitterer Radicchio-Trevisano-Julienne. Das Grande Finale bestritt Kay Baumgardt, GaultMillaus «Patissier des Jahres 2020». Er überzeugte mit einer ausgefeilten Kombination von Haselnuss, Apfel, Petersilie und Honig. Und mit einer originellen, umwerfenden Rüebli-Kreation mit Erdnüssen, bitter-säuerlichem Yuzusaft und Petersilienessenz. Minimale Abstriche gibt’s nur für den etwas hölzernen Service. Darüber trösten aber die hervorragenden Weine, der sagenhafte Humidor und natürlich Funkes Gerichte locker hinweg. Neuer Sommelier: Stefan Weise.