Ermitage des Ravet

Ein kurzer Blick in die Küche. Wir trauen unseren Augen nicht: Bernard, Guy und Léo Ravet, drei Generationen am Herd. Aber sonst niemand. Das Trio ist gut eingespielt, die Mise en place perfekt. Jeder Handgriff sitzt. Dass nur eine Mini-Brigade am Werk ist, kriegt draussen im nach dem Lockdown mittags und abends meist ausverkauften Restaurant keiner mit. Ruth und Nathalie Ravet fahren das Menü «Grand Angle» auf. In scharfem Tempo. Ohne Schwächen. Und mit Komponenten, die uns verblüffen. «Im Familienverbund sind wir am stärksten», lacht Guy Ravet. «Wir verstehen uns blind und vertrauen uns.» Guy hat noch ein paar «Hobbys»: Er läuft Ultramarathon. Und ist neuer Präsident der «Grandes Tables de Suisse».
Aperitif im Park. Enten schnattern, Tauben gurren – und wir staunen: Regenbogenforelle aus dem Nachbardorf L’Isle, sanft gegart, begeisternd zart. Das Wasser der Venoge fliesst durch die Becken, und natürlich dealen die Ravets mit dem Züchter über Timing, Farbe und Grösse des edlen Fischs. Klein geschnittene, knackige Bohnen gibt es dazu und Lauchzwiebeln. Der bretonische Hummer durfte auch nicht fehlen bei den Starters, mit Hummereiern (!), handverlesenen Eierschwämmli, Radieschen und Pimpernell. Die Ravets pflegen ein gutes Verhältnis zu «Pilzlern», die für sie im Vallée de Joux durch die Wälder streifen. Wir sind die Nutzniesser: «Amanite des Césars», Kaiserlinge, seltener und besser als Steinpilze. Eine knusprige Kalbsmilke gibt’s dazu und Salbei. Dann ein Klassiker des Hauses: Turbot de ligne. Mit den Steinbuttköpfen wird die elegante Sauce angesetzt, Sauerampfer aus dem eigenen Garten sorgt für einen zusätzlichen Kick. Guy Ravet mag Pasta. Also rücken (Rindsbäggli-)Ravioli ins Menü, mit Sellerie direkt vom Green Egg und in einer leicht geräucherten Bouillon.
Bernard Ravet ist aus dem Burgund in die Schweiz eingewandert. Das verbirgt er nicht. Seine Burgunder-Sammlung ist grossartig (unsere Weinbegleitung diesmal: Meursault-Charmes Premier Cru 2016, Domaine Ballot Millot & Fils, und Charmes-Chambertin Grand Cru 2016, Gérard Raphet). Seine Burgunder-Saucen, verfeinert natürlich und in die Neuzeit transportiert, sind es auch: Zu den zarten Froschschenkeln («désossée») aus der Zucht von Vallorbe gibt es eine verblüffende Pochouse (Fischsuppe) aus der alten Heimat. Zur kräftigen, dicken und saftigen Sole, von Luca Bianchi in der Bretagne beschafft, serviert die «Ravet-Gang» altes Gemüse vom Bio-Hof (Purple-Rain-Kartoffeln) und vor allem eine «Meurette». Der Rotwein in der Rotweinsauce: «R30», das Spitzenprodukt aus der familieneigenen Wein-Kollektion. Die Alternative zur Seezunge wird wöchentlich aus Japan eingeflogen: Kagoshima-Wagyu, Fettstufe A5. Die Abschnitte peppen die neckische Beilage auf: «Pain perdu»! Eingerieben wird das Wagyu aus Far East mit Miso aus Morges: Guy Ravet hat auf Instagram vier Japanerinnen entdeckt, welche die japanische Paste zubereiten. Mit Schweizer Soja.
Und nach dem Hauptgang? Bernard Ravet geht runter in die hauseigene Bäckerei: Brot fürs Frühstück. Und sein Sohn Guy kümmert sich um die Desserts. Vanille Bleue, das blaue Gold von La Réunion, ist die neue Geheimwaffe. In einer Doku auf Arte weit nach Mitternacht entdeckt, im Internet bestellt. So macht man das heute.