Adelboden
Natürlich rühmen wir umgehend Chef Franz Wiget und seine beiden wunderbaren Köchinnen, die Geschwister Margrit und Anneliese Bodenmann. Das erste Kompliment geht diesmal allerdings an Wildhüter Ruedi Herger. Er hatte dieses Jahr Losglück, durfte als einziger Urner Jäger einen Steinbock erlegen. Zwanzig Mal (!) stieg Ruedi hoch zum Surenenpass, bis er Waidmannsheil hatte. Bei einem Meisterkoch wie Franz Wiget ist so ein Unikat in besten Händen. Der Chef zerlegt das stolze Tier, setzt das Fleisch souverän ein: Urner Alpstein-Bock in einer intensiven, mit grösstmöglichem Aufwand zubereiteten Kraftbrühe. Alpstein-Bock als marmorierte Terrine, mit sanfter Gänseleber mittendrin. Alpstein-Bock liebevoll und geduldig geschmort, mit einer leuchtenden und tiefen Sauce. Grossartig!
Gilt auch für alle anderen Gänge im auf besonderen Wunsch sehr klassischen Herbst-Menü: bretonischer Rouget mit Schwarzwurzeln an einer verblüffenden Beurre rouge. Intensiv gelbe Tortelli, gefüllt mit Kürbis, grosszügig «zugeschüttet» mit weissem Alba-Trüffel. Zum Schluss ein Coq au vin der Extraklasse. Die Alpstein-Poularde wurde mehrere Tage lang geschmort, die Sauce reduziert. Natürlich passte der Gummelistunggis (Kartoffelstock), Wigets Signature Dish, perfekt dazu.
Zweiter Besuch, ein paar Wochen später. Wieder kriegen wir ein Stück vom raren Steinbock, diesmal geräuchert und als «mise en bouche». Das Fleisch wurde unterdessen sorgfältig getrocknet und geräuchert; Röllchen davon werden auf dem Klassiker «Pain perdu» («Armer Ritter») serviert. Pavé und Praline von der Gänseleber mit Grand-Cru-Bitterschokolade von Nachbar Felchlin und Portweingelee sind perfekt wie immer; wir fahren auf das Gänselebersüppli total ab, das à part serviert wird. Wiget wagt sich auch an zwei Süsswasserfische: Die Brüggli-Bachforelle wird zum Carpaccio aufgeschnitten und ziemlich frech mit Randen und Meerrettich serviert. Den Zander aus dem Lago Maggiore gibt’s mit einer reduzierten Haselnuss-Buttersauce, Belugalinsen, Speck und Lauch.
Nix gegen einheimische Fische, aber mit Meergetier kocht der Chef eine Liga höher. Der ausgelöste Hummer mit Ricotta-Gnocchetti war der Gang des Tages, weil der Bouillabaisse-Fumet mit seinen ausgeprägten Röstaromen vom anderen Stern war! Das Geheimnis dahinter: profunde Kenntnisse der grossen französischen Küche. Tagelange Arbeit. Fünfzig Kilo Karkassen (!) zum Auskochen. Was folgte, war wieder streng regional und sehr gut: Muotataler Milchlamm, neckisch präsentiert mit wunderbarem Jus, Senfkaviar und natürlich mit Gummelistunggis.
Zum Erlebnis «Adelboden» gehört auch der Service: Ruth Wiget und ihre Mitarbeiterinnen machen das souverän und haben beim Finale den ganz grossen Auftritt: Sie stellen ihr gewaltiges Käseangebot vor, wissen über jedes Exemplar genau Bescheid. Jahrgangs-Sbrinz und Käse von der Alp Tröligen sollte man sich nicht entgehen lassen. Dazu gibt’s hausgemachtes Früchtebrot. Und «Speck vom Chef», zum Selberschneiden.